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Alissa Thaler
BOZEN
- (ar) Die 1991 geborene Alissa Thaler ist
freie Spoken Word Poetin und Liedschreiberin. Sie
studiert an der Freien Universität Bozen Design.
Von klein auf schreibt sie Geschichten, Gedichte
und Reime. Im Interview erzählt sie über ihre Fas-
zination von Klang und Spiel mit Sprache, persönli-
che Erlebnisse und ihre nahe Zukunft.
Was hat Sie dazu gebracht,
Liedertexte zu schreiben?
Als Kind habe ich gerne Kurzge-
schichten, Gedichte oder Reime
geschrieben und gesungen und be-
merkt, dass ich mir leicht Liedtexte
merken konnte. Im Alter von zwölf
Jahren habe ich begonnen, selbst
Lieder zu schreiben. Bis dahin dachte
ich, dass nur Erwachsene Liedtexte
schreiben können. So fing ich an,
und seitdem habe ich nie mehr mit
dem Liederschreiben aufgehört.
Was inspiriert Sie dazu, dieser
Tätigkeit nachzugehen, und was
treibt Sie an?
Das Schreiben kommt von selbst,
und ich kann es nicht wirklich
abstellen. Ob Melodien oder Tex-
te, sie holen mich ein, und dann
packt mich einfach die Inspirati-
on. Meine Texte spielen oft mein
Leben wieder. Die Gedanken sind
mir meist nicht bewusst, bis sie
sich „von selbst niederschreiben“.
Auch ist es inspirierend, die Musik
anderer Liedermacher zu hören.
Wenn sich Menschen mit meinen
Liedern identifizieren, macht das
Mut, weiterzumachen..
Sie haben sich auch als Poetry-
Slammerin einen Namen gemacht.
Was ist eigentlich Poetry Slam?
Poetry Slam ist ein „Dichter-Wett-
streit“, ein Kampf, bei dem sich
jeder auf die Bühne stellen kann
und mit Worten „kämpft“. Die Tex-
te, die vorgetragen werden, müssen
von einem selbst sein, und man
darf keine Hilfsmittel außer dem
Mikrofon verwenden. Die Origina-
lität ist dabei grenzenlos. Einige
verfassen kritische Texte, andere
sind im Kabarettstil unterwegs.
Wiederum andere spielen dadais-
tisch mit dem Klang der Worte. Die
Performance ist oft wichtiger als
ein Text. Das Publikum bewertet
dann die einzelnen Wortpoeten.
„Ich bin meine eigene Produzentin“
Zurück zum Liedtexten: Wie
würden Sie Ihre Musik charak-
terisieren?
(überlegt) In meiner Musik spiegeln
sich Einflüsse aus verschiedenen
Genres wieder, mitunter mehr Folk,
ab und zu mehr Pop, hie und da ein
paar Jazztöne. Ich liebe die Ein-
fachheit von akustischen Klängen
und Harmonien genauso wie die
eingängigen, groovenden „Hooks“
der Popmusik.!
Spiegeln sich auch persönliche
oder individuell angehauchte
Erlebnisse wider?
Eigentlich immer. Gewiss kann man
auch über die eigenen Erlebnisse
am facettenreichsten schreiben.
Aber manchmal schreibe ich auch
über Erlebnisse von Freunden oder
Beobachtungen des Alltags. Hier
versuche ich, mich in jemand an-
deren zu versetzen und stelle mir
eine Geschichte vor.
Mit welchen Musikproduzenten
arbeiten Sie am meisten oder
am liebsten zusammen?
Zurzeit bin ich meine eigene Pro-
duzentin. Für mich ist es wichtig,
die Kontrolle über mein kreatives
Tun zu haben. Ich produziere lieber
etwas, was vielleicht technisch
nicht ganz richtig, aber ehrlich
ist. Natürlich wäre es eine tolle
Erfahrung und auch lehrreich, mit
anderen Produzenten zu arbeiten.
Aber man muss musikalisch auf der
gleichen Wellenlänge sein.
Welche Veränderungen in der
Musik- und Literaturwelt
stimmen Sie traurig?
Es macht mich nur glücklich, ein
Teil der Musik- und Literaturwelt
zu sein. Ich habe nur positive Er-
fahrungen gesammelt. Die Litera-
turwelt wird durch Poetry Slams
immer mehr von jungen Menschen
wahrgenommen. Ich lerne immer
mehr Musiker kennen, die selber
Texte schreiben. Traurig ist viel-
leicht der Umstand, dass es für
Lokalbesitzer immer schwieriger
wird, für Konzerte Lizenzen zu
erhalten. Den Wert von „lebender
Musik“ erkennen viele Menschen
oft leider nicht mehr.
Abschließend: Wo sieht sich
Alissa Thaler in zehn Jahren?
Für die nächste Zeit stehen einige
musikalische Kooperationen in mei-
nem Kalender. Auf diese freue ich
mich sehr. Was die Zukunft betrifft,
mache ich mir keine Pläne. Ich lasse
mich lieber überraschen, wohin mich
der Wind trägt, zumal es meist anders
kommt, als man plant. Jedenfalls
werde ich Melodien und Texte in
meinem Kopf nicht ausschalten. So
werde ich sie zu Papier bringen und
mit etwas Glück auf vielen verschie-
denen Bühnen singen.
Foto: Thaler
Foto: Thaler
Foto © Roberta Leoni
Portrait