Seite 16 - PLUS_02_2014

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lokales
D
ie Geschichte der Zufahrt
ins Sarntal greift nun der
Sarner Geschichtsverein
auf. „Unser Ziel ist es, die
Geschichtsforschung über
das Sarntal voranzutreiben; The-
men gibt es viele“, sagt Karl Kröss.
Dies solle mit den Leuten vor Ort
geschehen und nicht als Auftrags-
werk einfach vergeben werden.
Vor drei Jahren wurde der Verein
gegründet. Vier Mitglieder zählte
er damals, 25 sind es mittlerweile.
„Wir hoffen, dass es noch mehr
werden“, betont Kröss. Seinerseits
ist der Geschichtsverein Mitglied
im Heimatpflege- und Kulturverein
Sarntal, im Verein Rohrerhaus, im
Foto- und Videoklub „Digital“ und
im Heimatpflege- und Kulturver-
ein. All diese Vereine verbindet
das gemeinsame Interesse an der
Geschichte und Kultur des Sarntals.
ERSTE STRASSE UM 1500
Ein erstes großes Projekt des Ge-
schichtsvereins sind die Recher-
chen zur Sarntaler Straße. „Früher
waren die Wege über die Jöcher
die Verbindungen, und auch die
Besiedelung des Tals geschah über
die Jöcher, speziell über das Penser
Joch“, sagt der Historiker Stephan
Felderer. Um 1500 gab es dann
erste Bemühungen, von Bozen aus
Sarntaler Straße: Eine bauliche Großleistung
die Sarner Schlucht zu bezwingen.
„Unter Kaiser Maximilian wurde
eine Straße ins Sarntal gebaut – mit
ersten Sprengungen; das Schieß-
pulver war ja gerade erfunden. Die
Talfer schwemmte diese Straße aber
weg“, erzählte Felderer. Es dauerte
bis 1853, als erneut an einen Stra-
ßenbau ins Sarntal herangegangen
wurde. Bei Sprengungen am Felsen
von Schloss Runkelstein brach ein
Stück Turm ab. Bewährte Alternati-
ve blieb immer wieder der Fuhrweg
durch das Marterloch nach Afing.
Beim Eirnberg-Hof war eine Fuhr-
station, wo die Pferde eingestellt
und auch ausgetauscht wurden.
Eine Erschließung des Sarntals
mit einer Eisenbahn strebte 1870
der englische Bergwerksbetreiber
William Basil Wilberforce an, um
das Schürfmaterial von Rabenstein
auf Schienen zu befördern. Doch
daraus wurde nichts.
ZUM KAISER GEPILGERT
Denn die Sarner drängten auf eine
Straße und pilgerten 1893 sogar
zum Kaiser nach Wien, was in einer
Wiener Zeitung seinen Niederschlag
fand. Sie hatten Erfolg. 1901 wurde
die neue Straße durch die Sarner
Schlucht eröffnet – unter dem
damaligen Bürgermeister und spä-
teren Abgeordneten in Wien, Josef
SARNTAL
- (br) Die Bezwingung der Sarner Schlucht stellte seit jeher eine verkehrstechnische Herausfor-
derung dar, der sich die Baumeister schon vor einem halben Jahrtausend stellten. Die heutige Zufahrt führt
entlang der Felswand – teils im Berg, teils in offenen Trassen. Sie entstand in den 1930-er Jahren.
Kienzl. Bis kurz vor Durnholz und
auch Richtung Pens wurde die
Straße weitergebaut.
Der Erste Weltkrieg stoppte die
Arbeiten. „Ein neuer Schub kam
mit dem Faschismus; mit dem Stra-
ßenbau sollte die Zuwanderung von
Italienern unterstützt werden“,
sagt Felderer. Außerdem diente
die Militärstraße der Sicherung
des Grenzgebietes. 1935 wurde die
Zufahrt ins Sarntal neu angelegt –
höher oben entlang der Felswand
mit 24 Tunnels. Denn unten in der
Schlucht war ein Stausee geplant,
der dann aber nicht gebaut wurde.
Der Porphyr war zu brüchig. Bis
über das Penser Joch und nach
Sterzing wurde die Straße angelegt.
VIELE ARBEITERFAMILIEN
BLIEBEN
Hunderte Arbeiter, vielfach aus
dem Trentino und anderen ober-
italienischen Provinzen, waren
im Straßenbau eingesetzt. Viele
siedelten sich mit ihren Familien
im Sarntal an. 1943 kamen die
Nazis. Die Tunnels dienten zum
einen als Munitionsdepot und als
Schutzpunker für die Bozner Be-
völkerung. „1945 wurde in der
Sill eine Außenstelle des Bozner
Durchgangslager errichtet, und die
Häftlinge mussten an der Straße
Der Hauptort Sarnthein mit der neuen, von Wehrsteinen gesäumten Straße (1939).
Weißenbach um1950 mit der zur Faschistenzeit gebauten Brücke.
mitbauen“, sagt Felderer.
1953 wurde die Straße bis Sarnthe-
in geteert. 1980 gab es einen töd-
lichen Unfall, als ein einstürzender
Tunnel einen jungen Mann aus Pens
begrub. In den Jahren darauf wurde
die Straße laufend verbessert, neue
Tunnels kamen dazu. Das jüngste
Bauprojekt sind die beiden neuen
Tunnels am Eingang ins Sarntal.
Sie werden 2015 fertiggestellt und
ersetzen die 15 alten Tunnels, die
in der Zeit der Faschisten entstan-
den waren.