Seite 16 - PLUS_20_2013

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Lokales
Der Unterricht am Morgen beginnt
für die zehn Flaaser Grundschüler
eigentlich ganz normal. Sie lernen
die Rechtschreibung, üben Vokabeln
in Englisch und stellen Maßstabbe-
rechnungen an. So eignen sie sich
Grundkompetenzen und Arbeitswei-
sen an. Nach der Pause beginnt dann
das entdeckende, problemlösende
Lernen, altersgemischt und fächer-
übergreifend. Am Nachmittag fliegen
die Schüler aus und erkunden ihren
Wenn die Natur zum Klassenzimmer wird
FLAAS
- (br) „perLe“ steht für personalisiertes Lernen, das zusehends zu einer Perle der Pädagogik
wird. In Flaas lernen die Schüler ein bisschen anders: viel in der Natur, viel in Gruppen, viel im Experi-
ment. Unter dem Motto: „Jedem das Seine – nicht allen das Gleiche“ läuft an der Flaaser Grundschule
seit Herbst das Pilotprojekt „perLe“.
Lebensraum zum jeweiligen Thema
wie Wald, Siedlung oder Verkehr.
Zwei Wochen lang beschäftigt sich
die Schule mit einem Themenblock.
„Wir gehen von einer Frage aus, zum
Beispiel: Wo wohnst du?“, erklärt
Lehrerin Annemarie Tratter. Was die
Kinder dazu wissen, schreiben sie in
ihr Lerntagebuch: Ich wohne in Flaas,
in Europa, auf einem Bauernhof,
in einer Mietwohnung...“. Von dem
gehen die Lehrer aus und lassen das
Thema in verschiedene Richtungen
wachsen – von der Heimatkunde
und Geographie bis hinein in die
Siedlungsstruktur und Wohnkultur.
Die Schüler erkunden ihren Hei-
matort, erstellen maßstabgerechte
Pläne, bauen das Dorf nach, oder sie
stellen Flaas in Beziehung zu grö-
ßeren politischen und geografischen
Einheiten wie Gemeinde, Land, Staat
und Kontinent.
LERNEN IM NATURNAHEN
LEBENSRAUM
Am Ende des Themenblocks no-
tieren die Schüler wieder in ihrem
Lerntagebuch, was sie nun zum
Thema Wohnen wissen. „Das ist eine
Kontrolle für uns, was die Schüler
gelernt haben und was wissen, aber
auch für sie selbst“, sagt Tratter.
Zum Thema Wald hat sich jedes Kind
einen Baum im nahen Wald ausge-
sucht, den es beobachtet, misst,
vergleicht und Wissen zur Gattung
sammelt. Auch eine Exkursion mit
der Försterin unternahm die Schule.
Der Lebensraum Flaas mitten in der
Natur eröffnet viele Möglichkeiten,
die die Schule auch nutzt. Als es um
Verkehrserziehung ging, führte die
Exkursion dann aber nach Bozen.
„Flaas hat kaum Verkehrsschilder
und auch keinen Fahrradweg; da
mussten wir in die Stadt fahren“,
sagt Lehrerin Tratter. Die Fahrräder
beförderten Schülereltern in ihrem
Auto. So konnten die Schüler ein
Stück Bozner Fahrradweg fahren und
Der Jäger Paul Gross erzählte den Schü-
lern viel über Wildtiere und Jagd.
Die Schüler haben Flaas im Modell
nachgebaut.
Stefans bei „seinem“ Baum –
einen Kirschbaum hat er gewählt
Ausflug mit dem Fahrrad im Rahmen der
Verkehrserziehung.
Zum Thema Wohnen besuchte die
Architektin Andrea Vogt die Schule.
Exkursion mit der Försterin Giulia Ligazzolo.
Geisternacht in der Schule.
Die Schüler erstellen eine Zeitleiste.
Erfahrung im städtischen Verkehr
sammeln.
LERNEN; WAS DAS
KIND ANGEHT
Zwei Lehrerinnen, Elisabeth Tratter
und Margreth Lang, die Religions-
und Englischlehrerin und die Italie-
nischlehrerin begleiten die Schüler
beim „personalisierten Lernen im
naturnahen Lebenstraum Flaas“. Es
ist ein ganzheitliches Lernen, wo
immer wieder Verknüpfungen zu
verwandten Themen entstehen, wo
keine Lösungen vorgegeben sind,
sondern erarbeitet werden. Ausge-
gangen wird von den Erfahrungen
und dem bestehenden Wissen der
Kinder, das wächst durch Beobach-
tungen, Vermutungen und Ablgeiche
und klärender Erkenntnis.
Die Schüler arbeiten vielfach in al-
tersdurchmischten Gruppen – Dritt-
klässler mit Fünftklässlern oder
Zweitklässler mit Viertklässlern.
„Das funktioniert sehr gut“, sagt
Tratter. Denn bei dieser Form des
Unterrichts komme es viel mehr
auf Interessen, Beobachtungs- und
Auffassungsgabe und auf Arbeits-
techniken an, die nicht vom Alter
der Schüler abhängen. Kinder und
Lehrer seien jedenfalls begeistert
und Schule mache den einen wie
den anderen Spaß. Der vorgesehene
Lehrstoff fließe in den Erfahrungs-
bereich der Kinder ein, denn es
werde gelernt, was das Kind angeht.
TAG DER OFFENEN TÜR
„Es ist ein kreativer Unterricht,
der nicht nur das Wissen steigert,
sondern eine persönliche Weiterent-
wicklung ist – für alle Beteiligten,
die sich immer wieder auf Neues ein-
lassen“, sagt Schuldirektor Sigrun
Falkensteiner. Gleichzeitig werde
auch der Ort Flaas aufgewertet,
der mit der Schule ein wichtiges
Zentrum hat. Diese Schule soll
Bestand haben und nimmt auch
Schüler von auswärts auf. Schon
jetzt besucht ein Kind aus Mölten
die Grundschule Flaas – eben weil
dieser besondere Unterricht seine
Art zu Lernen ist und seinem Wis-
sensdrang gerecht wird. Am Sams-
tag, 11. Jänner, lädt die Grundschule
Flaas zu einem Tag der offenen
Tür, wo sich Interessierte ein Bild
machen können, wie gearbeitet und
gelernt wird. „Wir möchten auch
Kinder aus dem städtischen Raum
ansprechen, denen damit ein Tor
in die Natur geöffnet würde“, sagt
Direktorin Falkensteiner.