Seite 19 - WIR_08_2013

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Kunst & Kultur
Diesen Beitrag hat Univ.-H.Prof. Doz.
DDr. Helmut Rizzolli, Präsident der Stif-
tung Bozner Schlösser und Kurator der
Ausstellung „Anno 1363 – Tatort Tirol“
für Sie verfasst.
sich also einem nicht unerhebli-
chen Risiko ausgesetzt.
Die Handelsstadt Nürnberg, die
im späten Mittelalter rasch wuchs
und sich, nicht zuletzt durch die
Förderungen Karls IV., Rudolfs
Schwiegervater, wirtschaftlich
stark entwickelte, unterhielt durch
ihre Kaufleute stete Verbindungen
über Tirol nach Italien und über
Österreich nach Ungarn, sowie auf
den Balkan. Über diese Handels-
wege kamen deutsche Rohstoffe
nach Süden und Osten, Waren aus
Venedig und Byzanz nach Norden.
Den Nürnberger Kaufleuten musste
also an guten Beziehungen nicht
nur zu Kaiser Karl IV., sondern be-
sonders auch zu den Habsburgern
gelegen sein, zumal diese nach
dem Jänner 1363 Herrn über Tirol
geworden waren. Es dauerte also
nicht lange, bis man in Nürnberg
von den neuen Verhältnissen in
Tirol erfuhr und eine Gesandt-
schaft von Kaufleuten zu Herzog
Rudolf schickte.
Rudolf weilte im Frühjahr 1363
in Tirol, wo er die Huldigung der
Städte einholte und sich des Wohl-
wollens der Bürger versicherte.
Danach kehrte er zunächst in
seine Stammlande zurück. Die
Maßnahmen der Wittelsbacher,
die den Verlust Tirols nicht so ein-
fach hinnehmen wollten, zwangen
ihn allerdings im Herbst zu einer
Rückkehr nach Tirol.
Der Nürnberghandel mit
Tirol im neuen Licht
In Hall im Inntal traf er auf die
Gesandtschaft aus Nürnberg. Am
22. November 1363, dem Mittwoch
vor dem St. Antonius-Tag, nahm
Rudolf die Kaufleute aus Nürnberg
unter seinen besonderen Schutz
und befreite sie, als besonderes
Privileg, von der wechselseiti-
gen Haftung. Dieser besondere
Passus relativierte das Risiko der
handeltreibenden Nürnberger in
Tirol und setzt gleichzeitig direk-
te Beziehungen zwischen Rudolf
und der seit 1219 bestehenden
Reichsstädtischen Obrigkeit in
Nürnberg voraus.
Die Urkunde vom 22. November
1363 wurde ergänzt durch ein
weiteres Privileg Herzog Rudolfs
IV., das in Wien am St. Urbans-Tag
den 25. Mai des folgenden Jahres
1364 ausgestellt wurde und nähere
Bestimmungen zu den Transport-
mengen erhielt. Es deutet darauf
hin, dass der Durchzugshandel
der Nürnberger Kaufleuten über
Österreich und Tirol ständig zu-
nahm und dass das Haller Privileg
vom 22. November bereits Wirkung
gezeigt hatte.
Es ist bemerkenswert, dass in bei-
den Privilegien zwar die Gesamt-
heit der Kaufleute aus Nürnberg,
aber nicht die Reichsstadt Nürn-
berg als Begünstigte aufscheinen.
Dies geschah erst unter Rudolfs
Bruder Herzog Leopold III., der
anlässlich seines Aufenthalts in
Nürnberg am 16. Oktober 1383 mit
Beschwerden der Kaufleute über
ungewöhnliche Mauten und Zölle
an den ungarischen Grenzmar-
ken konfrontiert wurde. Seinem
obersten Amtmann Reinhard von
Wehingen befahl der Herzog die
Vorwürfe zu untersuchen.
A l koho l p r även t i on i n Süd t i r o l
Auch die Wirtschaftsmetropole Florenz spielte in Rudolfs Bemühen eine Rolle, wenn auch die Erwerbung Tirols durch Rudolf für
die Florentiner Bankiers in Bozen das Aus bedeutete. Darstellung der Stadt in der Schedelschen Weltchronik, 15. Jahrhundert.
Der Hintergrund dafür, dass Rudolf
direkt nur die Kaufleute privile-
gierte, dürfte ein diplomatischer
Schachzug gewesen sein, da in
Nürnberg damals nicht die reichs-
städtische Obrigkeit, sondern auch
der reichspolitisch gewichtige
Burggraf von Nürnberg das Sa-
gen hatte. Dieser Antagonismus
bestand bis 1427, als es der Reichs-
stadt gelang, die Burggrafenburg
endgültig zu erwerben.
Als Rudolf IV., der Stifter, am 27.
Juli 1365 überraschend in Mailand
starb, sorgte dies auch in Nürnberg
für Bestürzung unter den Kaufleu-
ten, da diese um die errungenen
Privilegien fürchteten. Deshalb
bemühten sie sich sofort um deren
Bestätigung, sobald klar war, wer
in Österreich bestimmen würde.
So bestätigten die die Herzöge
Albrecht III. und Leopold III. von
Österreich am 5. November 1366
in Wien den Freiheitsbrief ihres
verstorbenen Bruders Rudolf.
Die Privilegien Rudolfs IV. als
Basis für die zukünftigen Han-
delbeziehungen Nürnbergs zu
Tirol
Auf den Privilegien Rudolfs für
die Nürnberger Kaufleute bauten
die Handelbeziehungen zwischen
Österreich und Tirol auf der einen
und Nürnberg auf der anderen Sei-
te auf, wie aus den fast lückenlos
erhaltenen Bestätigungen hervor-
geht, die von den österreichischen
Erzherzögen bis Kaiser Maximilian
Reitersiegel Herzog Rudolfs IV., das er an
seine Privilegien und Urkunden hängte.
gewährt wurden. Dabei profitierten
beide Seiten von Rudolfs wirt-
schaftlichem Weitblick indem den
Nürnbergern Rechtssicherheit ge-
boten wurde und der Warenstrom
andererseits durch die Zölle die
landesfürstlichen Kassen füllte.