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geschichten zum entspannen
Ein Hundeleben
von Barnie Labrador
Bürokratie
„Kimm Barnie, heint hobn mers eilig. Mir miaßn
aufs Amt!“
Aufs Amt? Nicht gut. Ich mag nicht aufs Amt.
Da muss ich dauernd an der Leine bleiben, und
die Menschen, die da arbeiten, schauen mich
immer so griesgrämig an. Ich weiß nicht, ob das
daran liegt, dass ich ein Hund bin, ober ob die
Leute da prinzipiell griesgrämig dreinschauen.
Aber jedenfalls will ich nicht aufs Amt. Schon
nur, weil mein Fräulein Rita und ich da immer
so lange herumstehen müssen. Ich knurre also
ein bisschen unterschwellig, damit Frauchen auch
merkt, dass ich da nicht hin will.
„Jo, i woaß, Barnie. Du hosch jo recht, mir mocht
des a net Spaß, ober a bissl Bürokratie muaß
eben sein.“
Bürokratie? Ein komisches Wort; außerdem habe
ich keine Ahnung, was es bedeuten soll. Ich
verstehe sonst ja viele Wörter, die die Menschen
verwenden, besonders so wohlklingende Ausdrücke
wie „Futternapf“, Fresschen“, „Hundeknochen“
oder Ähnliches. Aber Bürokratie? Was das bloß
sein soll? Es klingt als Wort schon irgendwie un-
freundlich, so als würde dich jemand anknurren.
Bürokrrrrrratie. Das Wort könnte glatt von einem
Testosteron-geschwängerten Doberman erfunden
worden sein. Und es scheint etwas mit dem Amt,
wohin ich jetzt mit Fräulein Rita gehen muss, zu
tun zu haben. Die Leute da mögen dieses Wort
anscheinend. Bürokrrrratie. Vielleicht schauen sie
mich weniger griesgrämig an, wenn ich sie auch
anknurre. Ich werde das ausprobieren müssen,
wenn wir da sind…
„Oh, guten Tag, Herr Reiterer…“
Auch das noch. Nicht genug damit, dass wir hier in
diesem Amt etwas erledigen müssen, jetzt bedient
uns auch noch dieser Herr Reiterer. Herr Reiterer
wohnt nämlich zufällig auch in unserem Kondo-
minium, und zwar im vierten Stock, und Fräulein
Rita nennt ihn immer Paragraphen-Reiterer. Das
scheint damit zu tun zu haben, dass er hier auf
dem Amt arbeitet, auch wenn mir nicht ganz klar
ist, was ein Paragraphen ist. Aber Fräulein Rita
lacht immer, wenn sie das sagt, also scheint es
etwas Lustiges zu sein. Komischerweise ist Herr
Reiterer aber gar nicht lustig. Er brabbelt nur:
„Morg’n.“,
und schaut zuerst Fräulein Rita und dann mich
an, als hätte er in eine Pfefferschote gebissen.
Was mich wiederum dazu veranlasst, den Trick
mit dem Knurren zu probieren. Was soll auch
passieren?“
„Grrrrrrrr….“
„Um Gottes Willen, halten’s jo ihren Floahsock
zruck, schunscht loss i ihm an Maulkorb unlegn.
Miaßet er vun rechts wegen sowieso trogn…“
Scheint irgendwie nicht zu funktionieren, das mit
dem freundlich anknurren. Ich schaue Frauchen
verwirrt an.
„Komisch, des tuat der Barnie schunscht nia,
entschuldigen sie vielmols, Herr Reiterer.“
„Mmmmh.“
Ich weiß gar nicht, was Frauchen hat. Herr Reiterer
knurrt doch auch…
„Jo, jedenfolls het i folgende Zulassung vun
Ihnen gebraucht, Herr Reiterer:…“
Wie gesagt, normalerweise, verstehe ich ja, was
die Menschen so reden, aber wonach Fräulein
Rita jetzt fragt, ist mir ein Rätsel. Und was der
Herr Reiterer als Antwort vom Stapel lässt, ist
mir noch unbegreiflicher.
„Hobn Sie die Anfrage auf dem Formular B88 im
Nebenbüro eingereicht?
„Jawohl.“
„Anfrage 37C?“
„Abgegeben!“
„Modell 34 Strich 7?“
„Ja.“
„Eigenerklärung nach Landesgesetz 37-07?“
„Sicher.“
„Paragraph 19?“
„Erfüllt.“
„Auszug aus Abschnitt 57 Komma 3 Absatz 14?“
Frauchen schaut jetzt leider ganz erschrocken.
„Komma 3 Absatz 14? Des muaß i irgendwie
übersechen hobn.“
„Jo, sem tuats mer load. Nor miaßens lei nächsch-
te Woch wieder kemmen.
„Ober … kannten Sie net an Ausnahme mochen?
Schunscht bin i heint für nix und wieder nix
grennt…“
„Tuat mer load, des isch an Omt und net die
Caritas. Auf Wiederschaugn.“
Frauchen trottet richtig niedergeschlagen mit mir
heim. Irgendwie ist der Tag im Eimer.
Drrriiiiiiinnn.
Oh, die Hausglocke läutet. Wer kann das jetzt am
Abend wohl noch sein? Vielleicht ist es ja der Herr
Dietmar, das würde Frauchens Laune nach diesem
verkorksten Tag mit dem Vormittagsausflug aufs
Amt wieder ein bisschen anheben. Fräulein Rita
läuft zur Tür und öffnet.
„Oh, Herr Par .. Herr Reiterer…“
Jetzt schlägts 13. Zuerst versaut der Kerl meinem
Frauchen den Tag, und dann stört er uns auch
noch Abends? Dem werd ich die Meinung geigen!
„Grrrrrrrrrrr!“
„Ruhig Barnie, der Herr Reiterer tuat der jo nix…“
Er mir? Frauchen, Du weißt gar nicht, was dem
sein Hosenboden gerade riskiert.
„Also, Herr Reite-
rer, was hettn sie
gebraucht?“
Mein Frauchen ist
eine Heilige. Ich
hätte ihn schon
in die Wade
gebissen.
„Tatn sie mir
a wian a Solz
leichen? Mir
isch es grod ausgongen und
ohne konn ich koane Nudel kochen…“
Der Kerl hat vielleicht Nerven. Vormittags un-
freundlich sein und sich dann abends Salz leihen
wollen. Nur weil wir im selben Kondominium
wohnen? Nix da! Oder gib im Zucker stattdessen,
Frauchen!“
„Ach so, a Solz hätten Sie gebraucht … jo, hom
sie denn die Unbedenklichkeitsonfroge beim
Sanitätsomt eingreicht?“
„Bitte?“
„Die Zollbestätigung für Einfuhrgüter?“
„Äääh…“
„Transportschein für Lebensmittel?“
„Na, ober…“
„Eigenerklärung nach Landesgesetz 37-07?“
„…i wisset jetzt net…“
„Paragraph 19?“
„… was wor sell iatz glei?...“
„Auszug aus Abschnitt 57 Komma 3 Absatz 14?“
„…also…“
„„Jo, sem tuats mer load. Nor miaßens lei morgen
wieder kemmen.
„…“
Schau an, der Herr Reiterer ist sprachlos. Dabei
konnte er sich doch heute Vormittag noch so
gut an all das komische Artikelzeugs erinnern.
Und jetzt steht er da wie ein begossener Pudel.
Frauchen muss lachen.
„Kemmens, i gib Ihnen as Solz. I konn Sie jo
heint afnocht net verhungern lossn.“
Frauchen holt schnell ein bisschen Salz aus der
Küche. Ich genieße hingegen noch weiter den
Anblick des begossenen Pudels. Der jetzt irgend-
wie weniger griesgrämig dreinschaut. Und sich
artig bedankt.
„Also vielen Donk, Fräulein. Und … wegen ihrer
Zulassung … Sie brauchn net extra no amol
kemmen – i bring Ihnen den Schrieb morgen
selber vorbei…no amol donkschien…“
Da geht er hin mit seinem Salz. Ich weiß nicht
warum, aber ich habe den Eindruck, dass der
Herr Reiterer in Zukunft bei der Arbeit etwas
freundlicher dreinschauen wird.