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A
n diesen ausgedehnten
Feldzug erinnern noch
heute die Ruinen des Tro-
paeum Alpium, eines ge-
mauerten Denkmals ober-
halb der Ortschaft La Turbie bei
Monaco. Die Inschrift auf diesem
Denkmal nennt die unterworfenen
Bewohner des Alpenraums, dar-
unter auch die rätischen Stämme
der VENOSTES, ISARCI, BREVNI,
GENAVNES. Sie werden heute mit
der Bevölkerung des Vischgaus,
des Etsch-, Eisack- und Inntals
identifiziert.
Unter der Führung von Drusus und Tiberius, zweier Stiefsöhne des Kaisers Augustus, wurde in den Jahren
16 bis 15 v. Chr. eine militärische Unternehmung durchgeführt, in deren Lauf die Römer ein großes Ge-
biet im Alpenraum erobern konnten- die spätere Provinz Raetia. Wahrscheinlich war es Drusus, der durch
Tirol zog und über den Brenner in Richtung Voralpenraum vorstieß und dabei wohl hauptsächlich rätische
Stämme bekämpfte, während Tiberius von Lyon aus den Rhein entlang bis an den Bodensee vordrang und
die keltischen Stämmen der Vindeliker unterwarf.
Vorindoeuropäische
Restbevölkerung?
Über diese Räter berichten grie-
chische und römische Autoren
Verschiedenes, oft Widersprüch-
liches. So soll sich der Name von
der Gottheit Raetia ableiten, der
in der Po-Ebene bei Este ein großes
Heiligtum gewidmet war. Plinius
d. Ältere behauptet in seinem
Werk Naturalis Historia, die Räter
seien vor den Kelten in die Berge
geflohene und somit verwilderte
Etrusker. Dies wird heute allgemein
abgelehnt, auch wenn Archäologie
und Sprachforschung vielfältige
Beziehungen zwischen Rätern und
Etruskern nachweisen konnten.
So verwendeten die Räter eine
nordetruskische Buchstabenschrift
und sprachen eine nichtkeltische,
wahrscheinlich nicht einmal indo-
europäische Sprache, die uns heute
nur in Resten – in Form von kur-
zen Inschriften von nur wenigen
Worten bzw. Zeichen - überliefert
ist: Sie kann zwar gelesen, aber
kaum gedeutet werden. Manches
mögen Namen oder vielleicht auch
Weiheinschriften sein. Sie befinden
sich auf Steinen, Knochen und
Keramik, aber auch auf Horn und
Bronze. Es lassen sich dabei zwei
verschiedene Alphabete unter-
scheiden: jenes von Magrè (bei
Schio) und jenes von Bozen.
Archäologisch lässt sich die Sied-
lungsgeschichte der Bevölkerung
im mittleren Alpenraum von der
spätbronzezeitlichen Laugen-
Melaun-Kultur bis hin zur Frit-
zens-Sanzeno-Kultur verfolgen,
so dass man in den Rätern eine
alteuropäische Restbevölkerung
vermuten könnte.
Räter
und
Rätoromanen
Das Tropaeum Alpium, um 7 v. Chr. zu Ehren des Kaisers Augustus errichtet, überliefert die Namen der im Alpenfeldzug 16/15 v. Chr. unterworfenen Stämme, darunter
auch mehrere rätische Bevölkerungsgruppen.
Kunst & Kultur