Seite 37 - PLUS_03_2014

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Ein Hundeleben
von Barnie Labrador
Babyfreuden
Rabääääääähhhhh!!!
Rabäääääääähhhhhhh!!!
Uiuiui. Das arme Ding. Scheint wirklich eine
ordentlich Kolik zu sein, die das arme Baby da
aushalten muss. Als Hund, besonders als Labra-
dor, der ich bin, hat man ja einen ausgeprägten
Beschützer-Instinkt, besonders wenn es sich
um Menschenbabys handelt. Die Schmidts aus
dem dritten Stock haben vor wenigen Wochen
so ein Junges bekommen, und das schreit jetzt
eben manchmal. Da zieht es mir richtig das
Hundeherz zusammen, besonders wenn es sich
um Bauchschmerzen handelt. Wenn das kleine
Ding Hunger hat, dann kann man es ja füttern,
aber bei Bauchschmerzen … diesmal handelt
es sich eben um genau das, Bauchschmerzen.
Als Hund kann man das Babygeheul ja recht
eindeutig interpretieren, da wundere ich mich
schon, warum die Menschen sich das fragen
„Ja was hat er denn?“. Schon komisch. Aber ich
finde es sowieso gut, wenn ein Baby im Haus
schreit; also nicht, weil das Baby schreit, sondern
weil dann eben Leben im Haus ist; und das ist
doch gut so, nicht? Es gibt doch auch noch viel
nervigere Geräusche als Babygeheul.
Driiiiiinnnnnnn.
Genau. Die Türklingel z.B., besonders wenn mein
Frauchen Fräulein Rita dann aufmacht und Herr
Pompermeier davorsteht. Sie erinnern sich: Herr
Pompermeier ist erstens pensionierter Beamter
und zweitens so etwas wie der selbsternann-
te Hüter der Hausordnung. Mit Betonung auf
„Ordnung“. Wenn er vor der Türe steht, wird es
meistens unangenehm.
„Oh, Herr Pompermeier, guaten Nochmittog“,
begrüßt ihn mein Frauchen artig.
„Es ist keine guter Nachmittag, auf keinen
Fall ist es ein guter Nachmittag!!“,
gibt Herr
Pompermeier reichlich wenig galant zurück.
„Jo warum denn, Herr Popermeier? Isch Ihnen
a Laus über die Leber gloffen?“
Ha. Ich bin mir sicher, selbst Läuse haben bes-
seres zu tun als auf Herrn Pompermeiers Leber
herum zu joggen. Mein Frauchen ist ganz einfach
viel zu zuvorkommend.
„Ha“, poltert Herr Pompermeier, „nicht über die
Leber, sonder über das Trommelfell!“
„Wie bitte?“
„Ja, hören Sie es denn nicht?“
„Was denn, bittschian?“
„Na, das Baby-Geheul! Das ist ja nicht zum
aushalten!“
„Ach so. Ja des här i schun, aber Nuigeborene
reahren holt amol von Zeit zu Zeit.“
„Neugeboren? Das Baby ist nun 4 Wochen alt!“
Äußerst scharfsinnig beobachtet. Wenn es nach
Herrn Pompermeier ginge, hätte sich das Men-
schenkindlein wahrscheinlich schon eine Arbeit
suchen sollen.
„Do megens recht hoben, Herr Pompermeier,
ober 4 Wochen alte Kinder schreien holt a
oftramol…“
„Aber nicht während der Mittagsruhe!“
„Net während …? Sie moanen …?“
„Ich meine, dass es nun 13:49 Uhr ist, und
damit eindeutig Ruhe im Kondominium zu
herrschen hat!“
„Sel werd im Prinzip stimmen, Herr Pomper-
meier, ober a so a kloans Baby hat wohl net
wirklich programmierbare Schrei-Zeiten…“
„Papperlapapp! Man muss es nur daran gewöh-
nen. Zu der Zeit gibt es Essen, um die Zeit wird
geschlafen, und um eine andere Zeit wird eben
gebrüllt. So viel Erzeihung wird man sich einen
Monat nach der Geburt wohl erwarten dürfen!“
„Ober…“
„Nichts aber, jedenfalls habe ich hier eine
Petition bei mir, mit welcher wir Kondomini-
ums-Bewohner die Einstellung der akustischen
Baby-Belästigung zur Mittagszeit fordern. Sie
können hier unterzeichnen.“
Frauchen schaut Herrn Pompermeier nur ungläu-
big an, und ich winsle auch schon vor lauter
Unverständnis.
„Was ist denn hier los?“
Jetzt wird’s lustig. Unsere Joe hat wohl die
Diskussion mitbekommen und wenn Joe etwas
nicht kann, dann ist es sich aus einer Diskussion
herauszuhalten. Sie erinnern sich: Joe ist De-
signstudentin aus Deutschland, heißt eigentlich
Josefine und wohnt zur Untermiete bei meinem
Frauchen, welche wiederum eine der besten
Freundinnen von Joes Mutter ist. Joe ist zwar
ein kleines Genie, sieht aber mit ihren blauen
Haaren, der grellen Schminke, dem „etwas“
gewagten Haarschnitt und den absichtlich zer-
rissenen Klamotten ganz und gar nicht danach
aus. Und. Joe hat eine große Klappe. Wie gesagt:
Jetzt wird’s lustig.
„Ah, Herr Pompermeier, derf i Ihnen meine
Untermieterin vorstellen: Joe. Joe, des isch
der Herr Pompermeier“,
erklärt mein Frauchen
förmlich.
„Enchantè“,
frotzelt Joe. Herr Pompermeier ist
bei Joes Anblick erst mal zur Salzsäule erstarrt.
„Zeigen Sie mal her, den Wisch“,
meint Joe und
nimmt Herrn Pompermeier die Anti-Babygebrüll-
Petition aus der Hand.
„Eine Petition gegen Babyweinen“,
liest Joe,
„Mann, Alder, Sie müssen Beamter sein, richtig?“
Herr Pompermeier erwacht
nun langsam wieder aus
seiner Schock-Starre.
„In der Tat, junges Fräu-
lein, Beamter im Ruhe-
stand“
„Aha, im Ruhestand.
Gibt es da bei euch
Beamten überhaupt
einen Unterschied zum
Arbeitsstand?“
„Wie bitte? Was erlauben Sie
sich! Wir Beamten sind die Träger der Nation!“
„Davon bin ich überzeugt. Träger geht’s meistens
wirklich nicht mehr.“
„Also das ist doch wirklich eine Unver-
schämth…“
„Immer den Blutdruck im Auge behalten, Mann,
sonst werden Sie noch zum Schnellkochtopf. Sie
wollen also diese Petition gegen Babygebrüll
unterzeichnet haben. Und dann?“
„Nun, wenn alle Kondominiums-Bewohner un-
terzeichnet haben, übergeben wir die Petition
den Schmidts und der Hausverwaltung.“
„Aha. Sehr effektiv. Das Baby wird sicherlich
Verständnis dafür haben. Wenn ich Sie wäre,
würde ich das allerdings bleiben lassen. Wo-
möglich macht das Beispiel sonst ja Schule,
und jemand startet eine Petition gegen gewisse
Herren, die des nachts im Schlaf schnarchen wie
37 in Reihe geschaltete Sägemühlen, wenn Sie
verstehen, was und wen ich meine…“
Herr Pompermeier schaut perplex drein. Äußerst
perplex. Zuerst blickt er mein Frauchen an,
dann wieder Joe. Zum Schluss blickt er mich
an. Ich winsle.
„Nun, vielleicht haben Sie da Recht … vielleicht
sollte ich die Angelegenheit auf sich beruhen
lassen …“, murmelt Herr Pompermeier dann
und macht sich von dannen.
Frauchen schließt die Türe und blickt Joe be-
wundernd an.
„Komplimente Joe, dem Herrn hosch jo ordent-
lich die Meinung gsog. Ober ehrlich gsog: I hon
in Herrn Pompermeier no nia schnorchen gheart
in der Nocht, und schun gor net in gonzen Haus.
Woher hoschn Du gwisst, dass er schnorcht?“
„Wusste ich doch gar nicht, ob er schnarcht
oder nicht. Aber er ja auch nicht. Schnarchen
tut man ja wennschon im Schlaf“,
entgegnet
Joe und zwinkert mir zu.
Frauchen sagt einen Moment gar nichts, und
fängt dann zu lachen an. Sie bekommt einen
richtigen Lachanfall.Und ich heule freudig mit.
Gut gemacht, Joe!
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