Seite 29 - PLUS_18_2013

Basic HTML-Version

29
Portrait
klassen beglückt und von den Ja-
panern angelächelt zu werden, das
geht mir schon oft auf die…. Ich
möchte nur mal meine Ruhe haben.
Der Finderlohn, den das Land
Südtirol Ihren Findern gezahlt
hat, war durchaus hoch…
Nun ja, ist ein Mensch, der sich
mal nur zufällig ins Eis begibt, so
viel wert? Werden die vermissten
und eines Tages aufgefundenen Ski-
tourengeher oder Gebirgsjäger vom
Ersten Weltkrieg auch ins Museum
gestellt und den Findern etwas
gegeben? Da ich nie meine Ruhe
habe, ist mir die Frage eigentlich
egal. Schon zu meiner Zeit wurde
der Mensch als wertvolles Geschöpf
betrachtet. Auch muss ich feststel-
len, dass die Werte immer mehr
verloren gehen und der Kommerz
Überhand gewonnen hat.
Wie kamen Sie eigentlich zu
Ihrem Namen?
Ihr Schreiberkollege, der Wiener
Reporter Karl Wendl, hat mich in
seinen Texten kurz „Ötzi“ genannt,
denn er vertrat die Ansicht, dass
ich (als ausgetrocknete, grässlich
anzusehende Leiche) lieblicher wer-
den muss, um daraus eine gute
Story zu machen. Der deutsche
Prähistoriker Konrad Spindler ka-
pitulierte mit Humor gegenüber
dieser Sprachschöpfung und fand
sogar, dass mein Name ein Fall für
das Lexikon sei.
Aber es gibt sicher noch die eine
oder andere kuriose Anekdote…
Aber sicher. Zärtlich als Ötzi an-
geführt, verlor ich am Innsbrucker
Gerichtsmedizinischen Institut als
Nr. 619/91 geführte, bei der Staats-
anwaltschaft unter „Strafverfahren
gegen unbekannte Täter“ eingeord-
nete und im juristischen Jargon
unter dem Namen „Leichensache
Hauslabjoch“ bekannte Eisleiche,
meine Leichenhaftigkeit. So wurde
ich medienwirksam wiederbelebt.
Unter uns: Was ist am „Fluch
des Ötzi“ dran?
Jetzt machen Sie aber halblang!
Boulevardblätter nahmen sich
schnell meiner an. Mein Schicksal
interessierte aber doch keinen Men-
schen! Und nun soll ich schuld sein
und mich hergeben, die moderne
Flucht der Mumie von Tutanch-
amun zu sein? Sieben Menschen
habe ich unbestätigten Meldungen
zufolge auf dem Gewissen, obwohl
ich vor 5000 Jahren starb. Diese
Mutmaßungen sind für mich wie
ein rotes Tuch. Ein Wunder, dass
ich noch mit Ihnen rede!
Bleibt Ihr Fazit…
Also liebe Leserinnen und Leser
der „Plus“. Bitte begeben Sie sich
nie auf Wanderwege oder gar in
Ihre geliebte Bergwelt. Da kann
man nicht nur leicht umkommen,
sondern auch einige Jahrtausende
später zum Ausstellungsstück wer-
den. Das will niemand! Dann ist es
mit der heiligen Totenruhe auch im
Heiligen Land Tirol vorbei (lacht).
Plus: Herr Ötzi, vielen Dank für
das Interview.
Copyright: Südtiroler Archäologiemuseum/Eurac/Samadelli/Staschitz
Copyright: Paul Hanny
Copyright: Paul Hanny