Seite 28 - PLUS_18_2013

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Portrait
Plus: Wie lagen Sie an jenem
Gletschergebiet vor mehr als
zwanzig Jahren, bevor man Sie
gefunden hat?
Eigentlich sehr ruhig, mit dem
Gesicht nach unten. Sowohl
mein Hinterkopf als auch meine
Schultern und der Rücken lagen
frei. Da ich fast nichts an hatte,
dachte so mancher, ich sei ein
Skifahrer oder Tourengeher, der in
den 1940er- oder 1950er-Jahren
verunglückt war. Aber dem ist
nicht so. Ich bin nachweisbar der
älteste Südtiroler.
Wie sind Sie denn zu Tode
gekommen?
Also nachdem ich kein Tourengeher
oder Skifahrer gewesen bin, kann
ich mir es nur auf eine andere Art
erklären. Die, die mich auf dem
Gewissen haben, wird die nächste
Wärmezeit eines Tages freilegen.
Nein, im Ernst: Ich habe auf ei-
nem Kopf eine Platzwunde. Leute
behaupteten, dass das daraus er-
folgte, weil ich Wärme und Kälte
ausgesetzt war. Zur Todesursache
gibt es keinen allgemeinen Konsens
der Experten. Vielleicht bin ich auf
BOZEN -
(ar) Hierzulande kennt jeder den Mann
vom Hauslabjoch oder den Mann aus dem Eis, den
alle Ötzi nennen. Er ist eine Gletschermumie aus
der späten Jung- bzw. Kupfersteinzeit, rund 5.250
Jahre alt und nachweislich der älteste Südtiroler.
Wir unterhielten uns mit der Leiche in einem ruhigen
Moment, und waren erstaunt, was sie alles erzählte.
Doch lesen Sie selbst.
„Möchte meine Ruhe haben“
Copyright: Südtiroler Archäologiemuseum/Augustin Ochsenreiter
über 3000 m Höhe ausgerutscht
und eingeschlafen. Die Nächte da
oben sind bekanntlich kalt.
Wird Ihnen der Rummel um Ihre
Person manchmal zu viel des
Guten?
Ja, ich denke mir oft, wie fein es
gewesen wäre, wenn man mich gar
nicht entdeckt oder ich woanders
gelegen hätte. Doch das Leben
findet nicht im Konjunktiv statt.
Schön ist, dass mich mehr Leute
kennen als den scheidenden Lan-
deshauptmann Durnwalder. Aber
immer brav daliegen, von Schul-
Ötzi
Mehr als nur
eine Leiche