Seite 38 - PLUS_19_2013

Basic HTML-Version

38
Ein Hundeleben
von Barnie Labrador
Wetterkapriolen
Brrrr. Ganz schön frisch da draußen. Mir machen
die morgendlichen Herbsttemperaturen ja eigentlich
nichts aus; wozu hat Hund auch ein Fell? Aber mein
Frauchen kriegt es jetzt von Tag zu Tag immer eiliger,
vom Gassigehen wieder nach Hause zu kommen. Ich
kann das verstehen und verkneife mir das Herum-
schnuppern, soweit mein Hundeinstinkt das zulässt,
damit wir schneller wieder daheim sind. Frauchen
macht dann das Radio an und kocht sich gleich eine
ordentliche Tasse heißen Kaffee, während ich mich
neben sie in die Küche stelle und zuhöre, wie unser
schönes Kondominium langsam wach wird. Die ersten,
die man zu hören bekommt, sind die Blaspichlers
gleich neben uns. Das heißt, da die beiden älteren
Herrschaften sich sehr diskret verhalten, hört man
sie eigentlich fast gar nicht, nur ich als Hund kriege
mit meinen feinen Ohren natürlich fast alles mit.
Die Blaspichlers sind ein richtig nettes Ehepaar,
welches gerade letztes Jahr goldene Hochzeit gefeiert
hat. Dass sie es nun schon so lange miteinander
aushalten, liegt vielleicht auch daran, dass schon
seit geraumer Zeit sie sehr schlecht sieht und er sehr
schlecht hört. In gewissem Sinne ergänzen sich die
beiden perfekt, wenn ich mir ein tierisches Urteil
über menschliche Verhältnisse erlauben darf. Vor
allem in ihren morgendlichen Dialogen:
„Alois, hosch Du irgendwo meine Brillen gsechen?“
„…“
„ALOIS, HOSCH DU IRGENDWO MEINE BRILLEN
GSECHEN?“
„Haa?“
„ALOIS, HOSCH DU IRGENDWO MEINE BRILLEN
GSECHEN?“
„I hon nix gheart!“
„I hon net gfrog, ob Du meine Brillen gheart,
sondern ob Du sie gsechn hosch.“
„Haa?“
„Ach, vergiss es.“
„Haa?“
„VERGISS ES!“
„Jo, sell passiert mer a olm öfter.“
„Jo, wem sogsch sell. I vergiss a olm mehr.“
„Sigsch es.“
„Na, eben nimmer so bsunders guat.“
Sie sehen, ich bräuchte wirklich kein Radio in der
Früh, ich habe schon so Unterhaltung genug. Nach
den Blaspichlers schält sich normalerweise Herr
Pompermeier, unser Kondominiums-Miesepeter und
oberster Hüter der Hausordnung, aus dem Bett, und
wie fast jeden Tag drischt er mit dem kleinen rechten
Zeh gegen die linke Vorderkante seiner Schlafstatt.
Im Anschluss daran erfindet Herr Pompermeier dann
immer viele neue Bezeichnungen für sein Schlaf-
möbel, welche an dieser Stelle allerdings allesamt
meinem tierischen Sinn für Anstand bzw. der Zensur
zum Opfer fallen. Nach und nach kommen Geräusche
aus allen Kondominiums-Wohnungen an meine
Ohren, bis ich feststellen kann: Ok, es sind wieder
alle Mitbewohner gut aus den Federn gekommen,
der Tag kann beginnen.
Ich stelle mich dann vor die Wohnungstüre und belle
zweimal; Frauchen lässt mich dann nach unten in
den Garten, wo sicher schon unser Hausmeister Herr
Unterweger mit irgendwelchen Gartenarbeiten oder
ähnlichem beschäftigt ist.
„Ahh, do iss er jo, der Barnie! Braaaver, gell, bisch
a Braaaver“,
pflegt mich Herr Unterweger dann zu
begrüßen und übers Fell zu streichen. Ich bin gern
bei Herrn Unterweger im Garten; da gibt es immer
irgendetwas zu beschnüffeln und außerdem sieht
man, wer im Kondominium aus und ein geht. Grad
jetzt kommt z.B. Frau Gansbacher aus dem 5. Stock
aus der Tür. Frau Gansbacher wechselt immer ein
paar freundliche Worte mit Herrn Unterweger, und
Herr Unterweger freut sich auch, sie zu sehen. Als
Hund spürt man das. Unsereins würde sagen, die
beiden wedeln sich an. So auch heute. Ich stelle mich
dazu und wedle mit. Bis ich bemerke, dass…also
das geht nun wirklich nicht. Da hat Frau Gansbacher
doch glatt etwas vergessen. Ich werde sie mal ganz
Geschichten zum entspannen
kurz laut anbellen.
„Ja was denn, Barnie, was isch denn? Bisch eifer-
süchtig aufn Herrn Unterweger?“,
lacht mich Frau
Gansbacher an und tätschelt mir den Kopf. Wie
kommt sie denn auf sowas? Ich belle zweimal und
winsle, die Schnauze Richtung Himmel gerichtet.
„Ja, was denn, Barnie, was hot er denn?“, sieht
Frau Gansbacher Herrn Unterweger an.
„I woaß a net, normal bellt er eigentlich nia“,
entgegnet Herr Unterweger. Herrgott, so wird das nie
etwas. Was können Menschen auch begriffsstutzig
sein. Kein Wunder, dass sie beim Fernsehen einen
meiner Artgenossen brauchen, um Kriminalfälle zu
lösen. Ich sehe schon, wir müssen das anders machen.
Ich laufe hin zur Kondominiums-Türe und achte
drauf, dass die beiden Menschen mir folgen. Sonst
bringt‘s ja nichts. Während Frau Gansbacher noch
etwas belämmert dreinschaut, versteht zumindest
Herr Unterweger, was ich will.
„Mogsch eini, ha?“,
sagt er, und öffnet mir die
Türe. Ich laufe zum Schirmständer, der hinter der
Türe steht, und fasse den alten, vergammelten Re-
genschirm, der seit etwa 7 Jahren dort vor sich hin
gammelt. Mit dem Regenschirm im Maul marschiere
ich dann nach draußen und deponiere das Ding vor
Frau Gansbachers Füßen.
„Ach Gott, ja, Barnie, recht hosch, heint kannets
wirklich zu regnen kemmen. Ich geah besser mein
Regenschirm holen.“
Kaum ist Frau Gansbacher samt Regenschirm wieder
zurück, fallen auch schon die ersten Regentropfen.
„Barnie, Du bisch super, a richtiger Wetterfrosch“,
lobt mich Frau Gansbacher.
Wie bitte, Frosch? Ich werde das geflissentlich
überhören.
„Sell woll, auf die Viecher isch holt Verloss, wenn’s
ums Wetter geaht“, pflichtet Herr Unterweger bei.
„Jo, des stimp, de spüren des holt gonz genau,
wenn’s zu regnen kimp, de brauchn koan Mete-
orologen.“
„Gonz in Gegenteil, insere Meteorologen solleten
sich gscheider an Hund wia in Barnie onschoffen,
nor taten se net so oft danebenliegen mit die
Vorhersogn.“
Keine Ahnung, wovon die beiden reden. Ich hatte
ganz einfach heute Morgen im Radio gehört, dass es
Regen geben wird. Die haben fast immer recht, da
im Radio. Ich bin ein Hund. Ich muss das wissen.