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Kunst & Kultur
Diesen Beitrag hat Univ.-H.Prof. Doz.
DDr. Helmut Rizzolli, Obmann des Hei-
matschutzvereins Bozen-Südtirol und
Präsident der Stiftung Bozner Schlösser,
für Sie verfasst.
Der Befund an der Ruine lässt sich
in diesem Fall sehr gut mit den
historischen Ereignissen verbinden.
Am Sonntag, den 2. April, dem Tag
der Kämpfe von Spinges, griffen die
Franzosen die Eggentaler Schützen
bei der Burg Kampenn und der
Burg Karneid an. Der Kurat von
Karneid P. Mayr versuchte zwar
zu vermitteln und wandte sich mit
den Worten an die Schützen: „die
Franzosen sagen, dass sie Bauern
oben beim Schloss nicht länger
dulden werden“, doch folgten den
wohlmeinenden Worten des Geist-
lichen allerdings nur noch eifrigere
Attacken der Schützen.
Etwa gleichzeitig unternahm Gene-
ral Laudon mit der dritten Kolonne
den Angriff auf die französischen
Stellungen in Runkelstein, Rafens-
tein und bei Glaning. Dazu berich-
tet Josef Mayrhauser in seinem
Tagebuch zum 2. April 1797: „Um
8 Uhr früh eilten alle Franzosen
über die Talfer hinaus. Von Gla-
ning und Jenesien herab aber zog
es sich finster mit Leuten an. Sie
gaben zu verstehen, dass sie auch
kleine Feldstücke bei sich hatten
und rückten immer tiefer herab.
Als man zuletzt auch Feuerwerker
und Croaten bei ihnen sah, konnte
man mit Sicherheit schließen, dass
auch Laudon dabei sei.
Die Franzosen schossen mit Haubit-
zen und Kanonen hinauf. Aber die
Schützen, welche am Schafbühel zu
Guntschna standen, machten nicht
viel Federlesens, sondern schickten
mit ihren Scheibenstutzen Fran-
zosen in Menge in die Ewigkeit.“
Gegen die bei Jenesien stehende,
von General Laudon selbst geführte
Kolonne konnten die Franzosen
kein Terrain gewinnen. Laudon
empfing sie mit heftigem Geschütz-
feuer, welches gegen das von den
Franzosen wiederbesetzte Schloss
Rafenstein gerichtet wurde. Verge-
bens war auch der französische Um-
gehungsversuch mit 500 Mann den
Rittnerberg zu ersteigen, um dem
Laudonschen Korps über Wangen
und Afing in den Rücken zu fallen.
Die zu Hilfe gesandten Soldaten der
französischen Grenadierkompanie
konnten sich vor der drohenden
Einschließung aber nur dadurch
retten, dass sie sich ins von den
Schützen unbesetzte Schloss Rafen-
stein zurückzogen, wo die Tiroler
ein „Höllenfeuer“ auf sie eröffne-
ten. Dabei werden die Schützen,
wie Mayrhauser berichtet, auch von
kleinen Kanonen („Feldstücken“)
flankiert gewesen sein, denen
schließlich die nach Jenesien ge-
richteten Burgteile, insbesondere
die Toranlage der Kernburg, zum
Opfer fielen.
Die Franzosen flohen nach der Be-
schießung von Rafenstein „wie eine
erschreckte Rotte von Schafen“ die
steilen Hänge zu Tal und räumten
schließlich heimlich in der Nacht
vom 3. zum 4. April die von ihnen
zehn Tage lang besetzt gehaltene
Stadt Bozen.
Eine Ruine erzählt
Die französischen Truppen ließen
bei ihrem Abzug ein Trümmerfeld
zurück, besonders was die Burg
Rafenstein betraf. Bis zu diesem
Zeitpunkt war die Schlossanlage
gut erhalten und ein einige Jahre
zuvor erstelltes Inventar bezeugt,
dass sie noch bewohnt gewesen
ist. Von der ehemaligen Toranlage
kamen erst jüngst die Reste zum
Vorschein und ein aus dem Jahr
1601 stammender Wappenstein des
Burgherrn Marx Sittich Freiherrn
Auch die Burg Runkelstein war in die Kämpfe Anfang April 1797 verwickelt, die
Schäden am Gebäude hielten sich jedoch in Grenzen. Foto: © Stiftung Bozner Schlösser.
Die von der österreichischen Artillerie zerstörte Toranlage der Burg Rafenstein während der Freilegungsarbeiten. Foto: © Heimatschutzverein Bozen-Südtirol.
von Wolkenstein, der sich ober-
halb des Eingangs befunden hatte,
konnte nach 215 Jahren im Schutt
wieder geborgen werden.
Bei den Kämpfen um Rafenstein
dürfte auch so mancher Franzose
gefallen sein. Nach der Sitte der
französischen Revolutionstrup-
pen wurden die Gefallenen an Ort
und Stelle verscharrt, da es keines
christlichen Begräbnisses mehr be-
durfte. Bei dem Skelett, das im
Zuge der Ausgrabungen durch das
Landesdenkmalamt im Bereich der
Vorburg aufgedeckt wurde, dürfte
es sich um ein solches Opfer gehan-
delt haben, zumal die Knochen nur
seicht im Boden lagen.
Am 24. Mai 2014 wird der Heimat-
schutzverein Bozen-Südtirol die
Burg Rafenstein wieder öffnen.
Rafenstein soll Ruine bleiben, nicht
zuletzt deshalb, weil die Anlage als
solche ein Denkmal für die erfolgrei-
chen Abwehrkämpfe von 1797 ist.