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Ach, ist es nicht ein Hundeleben? Die
Sonne scheint, die Vögel zwitschern,
es ist ein rundum herrlicher Herbst-
tag. Und das Beste: Mein Frauchen,
Fräulein Rita, lässt mich heute ganz
allein im Garten spielen. Was sie des
Öfteren macht, denn ich bin ja ein
braver Hund. Das wissen auch die
übrigen Bewohner unseres Kondomi-
niums und freuen sich, wenn sie mich
sehen. Ich beiße keine Postboten, ich
hetze keinen Fahrradfahrern hinter-
her, ich belle keine Autos an, kurzum:
Ich bin ein überaus wohlerzogener La-
brador. Außer…außer wenn mir Fürst
Bismarck begegnet. Nicht der richtige
Fürst Bismarck, der ist ja schon lange
tot, das weiß jeder Hund. Der Fürst
Bismarck, den ich hier meine, ist der
Kater von Frau Wiedenhofer aus dem
dritten Stockwerk. Eine Perserkatze.
Eine von jener Sorte, die sich auch
noch etwas darauf einbildet, dass
sie mit der flachen Schnauze und
dem langen Fell aussieht wie ein
wandelnder Staubwedel. Fürst Bis-
mark ist aber nicht nur eingebildet,
sondern verwöhnt. Und verfettet.
Weil ihn sein Frauchen täglich mit
Lachsfilet mästet. Mittlerweile ist
er so dick und unbeweglich,
dass ihm sogar sein eigener
Schatten davonläuft.
Jedenfalls macht Fürst Bis-
marck mich nervös. Sehr
nervös. Besonders wenn er wie
heute wieder faul auf dem Rasen
liegt und zusieht, wie Herr Unter-
weger, unser Hausmeister, einen
Riesenhaufen Herbstlaub mit dem
Rechen aufschichtet. Dann denke
ich mir, man könnte sich doch an-
schleichen, so dass Fürst Bismarck
nichts bemerkt (was, nebenbei
gesagt, keine Kunst ist) und ihn
dann mit den Eckzähnen in den
Schwanz kneifen…
Miiiiiiaaaaaaooooo……
Wenn er in den Schwanz ge-
kniffen wird, startet Fürst
Bismarck durch, als wäre er
gerade mit den Pfoten in der
Steckdose gewesen. Mit all seiner
Masse, ohne Rücksicht auf Verluste,
mitten durch Herrn Unterwegers
Laubhaufen. Was Herrn Unterweger
dazu verleitet, den improvisierten
Laubhaufenzerstörer mit Titeln zu
belegen, welche dem echten Fürsten
von Bismarck sicherlich nie zuteil
wurden. Welch angenehmer Klang
für meine stolzen Hundeohren; und
welch herrlicher Anblick, als Fürst
Bismarck in voller Panik bis hinauf
in die Krone des Apfelbaums klettert.
Von da schafft er es sicher einen
halben Tag lang nicht mehr, herun-
terzuklettern. Hurra, hurra. Mission
Katzenschreck erfüllt.
Nur Herr Unterweger tut mir ein
bisschen leid. Jetzt muss er wieder
von vorne anfangen mit dem Lau-
beinsammeln. Ich stelle mich also
neben ihn, so als wäre ich gerade
erst vorbeigekommen, winsle lei-
se und schenke Herrn Unterweger
meinen treuesten Hundeblick. Herr
Unterweger ist richtiggehend gerührt
und tätschelt mir die Flanke.
„Jo, gell Barnie, bisch a Braver, net
so wia des deppette Kotzenviech.
Jooo, braaaaav.“
Ich gebe zu, ein bisschen fühle ich
mich schuldig. Aber nur ein biss-
chen. Schließlich bin ja nicht ich
durch Herrn Unterwegers Laubhau-
fen gerannt. Es war ja…
„Fürst
Bismarck!!!“
Frau Wiedenhofers kirchenchorge-
stählter Blechsopran fährt Herrn
Unterweger und mir durch Bis-
marck…pardon, durch Mark und
Bein. Sie muss wohl zufällig in den
Garten heruntergekommen sein
und gerade noch miterlebt haben,
wie ihre Wuchtbrumme von Katzen-
vieh den Apfelbaum-Annapurna
erklettert hat.
„Herr Unterweger! Was ham Sie
mit meinem Kater ang`stellt?!!!“
Der arme Herr Unterweger. Er kann
doch wirklich nichts dafür.
„I? I hon gor nicht getun mit
dem Viech!“
„Ha! Und das soll ich Ihnen glau-
ben? Jo meinens etwa, ich bin so
verkalkt, dass ich Ihnen abnehm,
dass der Fürst Bismarck von allein
auf den Apfelbaum geklettert ist?“
„Wos woaß denn I? Magari will
er jo onemmen und hot sich ge-
denkt, a bissl Gymnaschtik tuat
sicher guat.“
„Jetzt werden`s nicht frech. Der
Fürst Bismarck klettert nicht von
allein auf die Bäum!“
„Sell het i a zerscht net geglab,
dass er vun alloan auf an Bam
auikimp. Ober scheinbor…“
„Was soll denn das jetzt wieder
heißen? Was erlauben Sie sich? Der
Fürst Bismarck ist ein brillanter
Kletterer!“
„Sie hom ober grod gsog, er klet-
tert net.“
„Was? Tut er auch net. Aber er
könnt, wenn er wollt.“
„Aha.“
„Jawohl, mein Herr, wenn er wollt,
tät er können, weil…weil…ach
Herrgott, Sie machen mich ganz
konfus! Jetzt machen`s doch end-
lich was, damit der Fürst Bismarck
wieder herunterkommt!“
Herr Unterweger dreht sich um und
schaut hinauf zu Fürst Bismarck,
welcher ziemlich unwürdig an einen
Ast geklammert dahängt. Ich bin
auch schon ganz gespannt darauf,
was Herr Unterweger jetzt machen
wird. Er versucht es mit einer verbalen
Einschüchterungstaktik.
„Gssssht! Geah or, Du bleds Viech!“
Keine Reaktion. Aber brillante Stra-
tegie, das muss man Herrn Unter-
weger lassen.
„Blödes Vieh? Sind Sie noch ganz
bei Trost? Fürst Bismarck ist ein
hochintelligentes Tier!“
„Ah so? Sie kennen ihm jo in No-
belpreis versprechen, wenn er vun
alloinig wieder oarkimp.“
„Werden Sie nicht patzig! Tun Sie
endlich was!“
Herr Unterweger sieht weiter zu Fürst
Bismarck hinauf und kratzt sich am
Kopf.
„Ma, wenn Sie mi frogen, brauch mer
eigentlich lei zu worten, nor kimp
er indergaling schun oar.“
„Meinen Sie? Glauben Sie, er klettert
bald von allein herunter?“
„Na sell net, ober bei dem Viech sein
Gwicht bricht sicher boll der Oscht,
auf dem er häng…“
Ich würde ja zu gerne noch hierblei-
ben und schauen, ob Frau Wieden-
hofer nach ihrem offensichtlichen
Hyperventilationsanfall nochmals
ihre Stimme wieder findet, aber ich
höre Fräulein Rita rufen:
„Barnie, komm! Fresschen ist fertig!“
Frauchen macht das immer so, wenn
ich im Garten bin. Sie ruft mich vom
Fenster aus und betätigt den Tür-
öffner, so dass ich wieder ins Haus
kann. Ich drücke dann die Tür auf
und laufe die zwei Stöcke nach oben.
Ich weiß, für einen Hund klingt das
ziemlich intelligent. Ist es auch. Mit
meinem Aussehen und dank der Tat-
sache, dass ich zwei bis drei Hits der
Backstreet-Boys nachwinseln kann,
könnte ich eigentlich bei „Deutsch-
land sucht den Superstar“ auftreten.
Vielleicht mache ich das ja noch. Aber
einstweilen interessiert mich mein
Futternapf mehr.
Geschichte zum Entspannen
Ein Hundeleben
von Barnie Labrador
Folge 2: Katzen und Kletterpartien