Seite 26 - PLUS_02_2014

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Geschätzte Leser,
der Frühling naht, Aufbruchstimmung allerorten, die
letzten Ritualmorde sind vollzogen und die neuen
Besen kehren den alten Schnee von der Treppe, die
nach oben führt, in die Schaltzentrale der Macht
und in den Himmel der Politgrößen.
Matteo Renzi, der Bürgermeister, hat es geschafft;
trotz gegenteiliger Beteuerungen hat er mit nahezu
teutonischer Zielstrebigkeit Letta zunichte gemacht,
Solidarität bekundet, die Arbeit der Regierung in
Frage gestellt, beteuert, sich in die Frage einer
allfälligen Regierungs(um)bildung nicht einmi-
schen zu wollen und dabei nichts anderes getan,
als diese Regierung und den Ministerpräsidenten
der eigenen Partei zu demontieren. Schizophrenie
ist vermutlich eine verniedlichende Beschönigung
für dieses Verhaltensmuster, in Italiens Politik ist
dies normal, gestattet und führt offensichtlich
auch zum Erfolg.
Dabei ist nicht auszuschließen, dass Renzi teilweise
selbst zum Opfer seines eigenen Ehrgeizes und
seines Hanges zur Selbstdarstellung wurde, darin
unterstützt von den strategischen Plänen einer
missgünstigen Meute, die ihm vorderhand die Hände
küssen und ihn rücklings erdolchen würde (wenn sie
nur könnte). Nun ist er aber da, der anscheinend
unverwüstliche Zerstörer, wo er immer sein wollte,
es ist sein Spiel nun und er geht ein großes Risiko
ein. Sollte er nämlich nicht imstande sein, die
von ihm proklamierten Reformen tatsächlich durch
zu bringen, sollte die Maschinerie der Ämter und
Ministerien, der Obstruktion der Minderheiten, der
Staaten im Staate seinen Elan bremsen, dann ist
das der Tod für ihn, ein unaufhaltsames Sterben,
auf das, so kann man sicher sein, manche bereits
genussvoll warten.
Ihm und dem Gemeinwesen Italien ist nur zu wün-
schen, dass er es schafft, dass er seine Begeisterung,
so sie denn echt ist, auf andere übertragen und
damit eine Epoche wahrer Reformen in die Wege
leiten kann. Prüfsteine gibt es genug, angefangen
beim Wahlgesetz bis zur Verfassungsreform. Selbst
wenn er die Reform des Titels V der Verfassung
nicht schaffen sollte (eine Neuordnung der Kom-
petenzverteilung zwischen Staat und Regionen
bedarf objektiv längerer Zeiten und auch einer
vertieften Diskussion), die Abschaffung oder (nicht
nur numerische) Dezimierung des Senates ist eine
Aufgabe, die eines Sisyphos würdig wäre, denn das
System ist resistent und die Revolution frisst ihre
eigenen Kinder am liebsten. Und wenn er es nur
schafft, einer siechenden Wirtschaft Visionen zu
geben und positive Stimmung zu vermitteln, dann
ist auch schon viel getan. Wünschen wir uns, dass
es ihm gelingt.
Immer noch in Erwartung, am 18.02.2014
Manfred Schullian
Kammerabgeordneter
Brief aus Rom
von Robert Adami
Spaß beiseite!
Altersvorsorge
Also ich weiß nicht wie Sie das gesehen
haben, aber ich habe mich gefreut, als ich
letzte Woche lesen durfte, dass ein Teil
unserer Politiker nun insgesamt 90 Milli-
onen € als Vorauszahlung auf die Pension
erhält … Moment … es lohnt sich, die
Zahl auszuschreiben, also 90.000.000,00
€. Das sind so viele Nullen, dass es mir
jetzt fast die Null - Taste auf dem Laptop
verkeilt hätte. Also doch besser in Worten:
90 Millionen … insgesamt, wohlgemerkt,
nicht etwa pro Kopf, man will ja beschei-
den bleiben.
Jedenfalls habe ich mich gefreut, denn
ich kombinierte messerscharf: Nachdem
es sich um eine neue Gesetzesregelung
handelt und das Gesetz ja bekanntlich für
alle gleich ist, habe ich also logischerwei-
se auch Anrecht auf einen Vorschuss auf
meine Pension. Dann kann ich mir endlich
die neue Sitzecke mit echtem Kunstleder-
bezug leisten! Ein Traum! Ich werde also
in nächster Zeit auf dem Pensionsamt vor-
beischauen und meinen Pensionsvorschuss
abholen. Und wehe, ich kriege ihn nicht!
Dann gehe ich rüber in den Regionalrat
und beginne einen Sitzstreik! Dann klappt
es ganz sicher mit der Altersvorsorge
– denn das haben wir aus dieser Affäre
gelernt: Um an eine ordentliche Pension
zu kommen, braucht man nur im Regional-
rat zu sitzen, …
Aber Spaß beiseite. Wenn ich mir über-
lege, dass ich mir vor just 5 Monaten
während einer Wahlveranstaltung von
Politikern aller Lager anhören durfte,
welche immense Anstrengungen man un-
ternehmen müsste, um im Landeshaushalt
die jährlich benötigten 10 Millionen Euro
zur Anhebung der Mindestrenten auf das
gesetzlich festgelegte Lebensminimum zu
finden, dann kann ich nur eines sagen: Für
die nächsten 9 Jahre wüsste ich, wo man
das Geld hernehmen könnte. Ganz ohne
Anstrengung.
Ministerpräsident Enrico Letta, Abschied in „fretta“. Abgeschossen von Partei-„Freund“ Matteo Renzi. Nicht
gerade die feine englische Art. Wohl eher getreu der Quizfrage: „Wie lautet die Steigerungsform von Feind? -
Antwort: Feind - Erz-Feind - Partei-F(r)eind…
politik