Seite 30 - PLUS_03_2014

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Geschätzte Leser,
es ist kaum zu glauben, aber Matteo Renzi scheint
es wirklich zu schaffen, in diesem Staat eine po-
sitive Grundstimmung zu erzeugen. Heute war er
in der Abgeordnetenkammer, um über das morgige
europäische Gipfeltreffen und seine diesbezüglichen
Vorhaben zu berichten. Gleich einleitend hat Renzi
Alexander Langer als großen Europäer zitiert, der
bereits die fortschreitende Verbürokratisierung und
Technisierung beanstandet und den damit einherge-
henden Verlust von Werten und Lebensgefühl beklagt
hat. Renzi versteht es, mit wenig konkreten Aussagen
und vielen Parolen das Gefühl zu vermitteln, er habe
alles im Griff und nichts könne ihn aus der Ruhe
bringen. Dabei trifft er durchaus auch Aussagen,
die geteilt werden können. So ist ihm bewusst,
dass die Wirtschaft eines Staates (und damit auch
von Italien) von vielen Faktoren abhängt, wozu
auch die in einem Land jeweils vorherrschende
- positive oder negative - Grundstimmung zählt.
Wenn die Menschen von Hoffnung, Zuversicht und
Vertrauen getragen sind, dann werden Probleme
weniger drastisch wahr genommen und vor allem
leichter gelöst. Bei depressiver Grundstimmung sind
auch Lösungsansätze schwieriger durchzuführen, da
sie nur auf spärliche Einsatzbereitschaft stoßen.
Renzi reklamiert für Italien eine wichtige Rolle im
europäischen Prozess, der die Ernsthaftigkeit nicht
aufgeben, aber die Begeisterung wieder gewinnen
muss. Damit Italien aber diese Rolle wahrnehmen
kann (und damit Italien diese Rolle auch von den
europäischen Partnern zugestanden wird), muss
dieser Staat seine Veränderungsbereitschaft und
seine Veränderungsfähigkeit beweisen. Damit hat
Renzi schlichtweg recht.
Es bleibt allerdings die Frage, inwieweit seine
‚Zahlenspiele‘ sich auch tatsächlich so durchziehen
lassen; bedenkt man, dass es für die Regierung
Letta zahllose Diskussionen hinsichtlich der Fi-
nanzierbarkeit von angedachten Maßnahmen auch
kleiner Größenordnung gegeben hat, so scheint
es abenteuerlich, wenn Renzi nun zehn Milliarden
aus dem Ärmel schüttelt und angeblich noch über
zusätzliche Spielräume verfügen kann. Dies scheint,
Milliarden könnten wie Kaninchen oder weiße Tauben
aus dem Zylinder gezaubert werden. Die Erfahrung
lehrt, dass die Maschinerie der Ministerien und der
parlamentarischen Bürokratie derlei Euphorismus in
der Regel sehr rasch einzudämmen gewohnt - und
darin geübt - ist. Es ist (uns) allen zu wünschen,
dass Renzi es schafft und seine Reformansätze nun
konkrete Züge annehmen, denn die Führungspersön-
lichkeiten gehen aus hier in Rom und Neuwahlen
wären zu diesem Zeitpunkt eine Niederlage nicht
nur für Renzi, sondern vor allem für jeden Ansatz,
dieses Land tatsächlich aus der Krise zu führen.
In diesem Sinne: schauen wir nach vorne, es gibt
offenbar einen Lichtblick aus einem Tunnel.
Rom, am 19.03.2014
Manfred Schullian
Kammerabgeordneter
Brief aus Rom
von Robert Adami
Spaß beiseite!
Ministerpräsident Matteo Renzi im Gespräch mit unserem Landeshauptmann.
Die zwei jungen Politiker verstehen sich ausgezeichnet, noch aus der Zeit, als beide Bürgermeister waren.
Fastenzeit
Meine Tante Hilde ist mit ihren 89 Lenzen
ein recht traditionsbewusster Mensch;
auch was das Fasten angeht. Als wir also
unlängst am ersten Freitag der Fastenzeit
zufällig abends in einem Restaurant saßen,
bestellte sie doch tatsächlich nur eine
Spinat-Omelette. Ich weiß nicht, welches
Teufelchen mich daraufhin geritten hatte,
aber ich konnte nicht anders, als mich über
das „angestaubte Fastengetue“ lustig zu
machen, was mir wiederum eine harsche Zu-
rechtweisung seitens meines Tantchens ein-
brachte. Nun, da ich weiß, dass es sowieso
aussichtslos ist, verbal gegen Tante Hilde
anzukämpfen, entschloss ich mich zu einer
demonstrativen Anti-Fasten-Trotzaktion:
Ich bestellte als Antipasto eine Extraporti-
on Gänseleberpastete, gefolgt von zweifach
Käsenocken mit extraviel zerlassener Butter,
danach Spanferkel mit einer Wagenladung
Pommes Frites und zum Abschluss noch
jeweils ein Stück Käsesahnetorte und ein
Stück Bananenkuchen.
Das Ergebnis der Aktion war … verheerend.
Es war die längste Nacht meines Lebens.
Die Stunden, in denen ich nicht schlafen
konnte, verbrachte ich damit, mich selbst
ein vertrotteltes Mondkalb zu schimpfen,
und während der (wenigen) Stunden, die
ich in Morpheus Armen verbrachte, träumte
ich von einer Reihe himmelblauer Ferkel
im Bananenröckchen, welche auf meinem
Magen Hula-Hoop tanzten und dabei eine
Discoversion des Songs „Hab Flugzeugträger
in meinem Bauch“ von Herbert Grölemeyer
zum Besten gaben…
Aber Spaß beiseite. Wie man es auch immer
mit der Fastentradition halten will: Ein
bisschen Maßhalten hat sicherlich noch kei-
nem geschadet; und das nicht nur während
der Fastenzeit. Meint auch Tante Hilde …
Während also meine Gesichtsfarbe verzwei-
felt versuchte, sich farblich wenigstens ein
bisschen vom Leintuch abzuheben, saß Tan-
te Hilde schmunzelnd an meinem Kranken-
bett und dozierte: „Sigst es, man darf halt
das gerechte Maß nicht verlieren; sonst holt
man sich eben eine Magenverstimmung …
oder als Politiker eine Volksverstimmung…“
politik