Seite 31 - PLUS_03_2014

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Dokumentation der Frauentrachten im südlichen Tirol
Als ein „Jahrhundertwerk“ kann
die von der Südtiroler Bäuerinnen-
organisation unter der Leitung von
Landesbäuerin Hiltraud Erschbamer
herausgegebene Publikation über
Frauentrachten aus dem südlichen
Tirol bezeichnet werden.
Das Buch geht auf eine Idee von Mo-
nika Rechenmacher und Maria Anna
Plunger zurück: „Es war uns ein großes
Anliegen, dass das Wissen über die
Tracht nicht nur wie bisher größten-
teils mündlich weitergegeben wird,
sondern dass es ein fachlich fundier-
tes Nachschlagewerk gibt, das auch
über die kleinsten Details Aufschluss
gibt“, so die beiden ehemaligen Be-
zirksbäuerinnen. Herausgekommen
ist ein einzigartiges Werk mit aussa-
gekräftigen, bestechenden Bildern
des Fotografen Florian Andergassen
sowie mit informativen und zugleich
leicht verständlichen Beschreibun-
gen der einzelnen Frauentrachten.
An der im Neumarkter Verlag „Ef-
fekt!“ erschienenen Tirolensie haben
jahrelang Fachleute, Historiker und
Trachtenschneider, aber auch alle
Bezirksbäuerinnen sowie Dutzende
Helfer/innen vor Ort mitgearbeitet.
Tracht: Alltags- bzw.
Festtagsgewand
Die Tracht als das typische Alltags-
bzw. Festtagsgewand der bäuerlichen
Bevölkerung hat sich erst im 18. Jh.
herausgebildet. In diese Zeit fällt
aber auch eine weitere Charakteristik
der Tracht, nämlich ihr regionaler
Charakter, das heißt, dass sie einem
bestimmten Gebiet zugeordnet werden
kann. Im Gegensatz zur Mode ist die
Tracht also stets Ausdruck und Kultur-
gut der Gemeinschaft eines bestimm-
ten Gebietes. Dabei hat sie sich bis
in das 20. Jh. auch selbst verändert.
So mussten die Schnitte etwas abge-
ändert werden, damit die Trachten
für unser Gefühl, aber auch für die
praktischen Anforderungen unseres
Alltags tragbarer werden. Eine Jacke
muss heute so geschneidert sein, dass
man damit auch Auto fahren kann.
Auch waren die Miederleibchen frü-
her extrem kurz geschnitten, damit
die Tracht auch während der vielen
Schwangerschaften getragen werden
konnte, während heute das Oberteil
prinzipiell körperbetont ist und bis
zur Mitte reicht.
Trachtenlandschaften
haben sich geändert
Während sich früher die Trachtenge-
biete mit den damaligen Gerichts- und
damit Verwaltungsgrenzen deckten,
ist dieses Kriterium heute nicht mehr
ohne weiteres anwendbar, denn Trach-
tenlandschaften haben sich auch in
ihren Grenzen verändert. So werden in
manchen Gebieten parallel verschie-
dene Trachten getragen, oder aber
auch dieselben, die sich nur in kleinen
Details unterscheiden. Wo kann, wo
darf, wo muss eine ganz bestimmte
Tracht getragen werden? Gerade auch
in dieser Frage bietet „Inser beschtes
G’wond“ verlässliche Informationen:
Prinzipiell gilt aber, dass eine Tracht
nie nur von einem bestimmten Verein
− beispielsweise von einer Musikkapelle
− getragen werden darf, sondern dass
sie immer zumindest für ein ganzes
Dorf, oft sogar für die ganze Talschaft
Gültigkeit hat.
Tracht verrät, woher
man kommt
Wer sich auskennt, sieht an einer
Tracht also, woher die Trägerin kommt
und ob ein hoher Festtag, ein niede-
rer Feiertag oder ein Trauertag ist.
An Frauentrachten konnte vor allem
früher, kann zum Teil aber auch noch
heute anhand der Kopfbedeckung, der
Schürze, des Mieders, des Kittels oder
an bestimmten Farben von Bändern
auch der Familienstand abgelesen
werden und zum Teil sogar die Anzahl
der Kinder. Aber auch bestimmter
Trachtenschmuck und Frisuren spie-
len in diesem Zusammenhang eine
bedeutende Rolle.
SBO-Trachtenbuch zeigt
Details
Es war den Autoren dieses Buches ein
großes Anliegen, auf die vielen, noch
so kleinen Details hinzuweisen, damit
die heute im südlichen Tirol getrage-
nen Trachten in ihrer traditionellen
Form der Nachwelt erhalten bleiben
und so auch in Zukunft originalgetreu
nachgeschneidert werden können.
Interessant ist gerade in diesem Zu-
sammenhang auch der Überblick über
die Erforschung des Trachtenwesens,
auf die im Buch eingegangen wird
und die zum Teil im nicht immer ganz
unproblematischen Umfeld erfolgte.
Von großem Wert ist die Fülle von
Hinweisen, wie die Tracht richtig
angezogen wird: wie der Flor gebun-
den wird, wie ein Tüchl richtig in
Falten gelegt und fixiert wird, wie
beispielsweise eine Gollerkette ange-
legt wird, welche Schuhe zur Tracht
gehören und vieles mehr. In nicht
wenigen heute noch vielfältigen und
lebendigen Trachtengebieten – gerade
in jenen mit Tüchltrachten wie im
Sarntal und in Villanders − bedarf es
außerdem genauer Informationen,
zu welchen kirchlichen und weltli-
chen Anlässen welches Tuch, welche
Schürze oder welche Überbekleidung
getragen wird. Auch dazu dient dieses
Nachschlagewerk.
Hut, Schuh und richtige
Trachtenfrisur
Da die Tracht ein wertvolles Gewand
ist, das über Jahrzehnte, oft sogar
über Generationen getragen wird,
Beim Landesbäuerinnentag am 16. März in Bozen wurde das SBO-Trachtbuch
„Inser beschtes G’wond“ vorgestellt und eine Trachtenshow zeigte die Vielfalt der
Frauentrachten auf.
gilt es, sie besonders sorgfältig zu
pflegen. Im Buch finden sich nicht nur
grundlegende Pflegehinweise, sondern
auch eine ganze Reihe von Tipps, wie
einzelne Trachtenteile schonend ge-
reinigt werden, wie Spitzen am besten
gestärkt werden, was man macht,
wenn ein Hut nass geworden ist, wie
man Seidentücher am besten aufbe-
wahrt, und sogar, wie zusätzliche
Haarteile behandelt werden, die für
Trachtenfrisuren verwendet werden.
Ein ansprechendes kompaktes Kapitel
zeigt Frisuren, die zu den Trachten
passen. Bei langem Haar müssen Stirn
und Nacken der Trachtenträgerin auf
jeden Fall frei sein.
Alles in allem ist „Inser beschtes
G’wond“ nicht nur eine außergewöhn-
liche Dokumentation, die neben den
derzeit in Südtirol getragenen Frau-
entrachten auch noch Beispiele aus
Welschtirol aufzeigt, sondern es ist
zugleich auch das
erste zeitgemäße
Nachschlagewerk
überhaupt für
diesen besonde-
ren Kulturschatz.
Margareth Lun,
Lektorin
DEN BÄUERINNEN DAS WORT
In Zusammenarbeit mit
Das Wissen über die Tracht ist größtenteils mündlich überliefert.
Viele Trachtenbegeisterte wissen deshalb heute nicht mehr genau,
wie die Tracht ihres Gebietes aussieht und wie sie richtig getragen
wird.
Diese Dokumentation soll dazu dienen, dass die Trachten, die
im Laufe der Jahrhunderte auch den modischen Einflüssen
der jeweiligen Zeit unterlagen, in ihrer traditionellen Form der
Nachwelt erhalten bleiben und damit auch in Zukunft originalgetreu
nachgeschneidert werden können.
Aussagekräftige Fotos und einfache Beschreibungen − ergänzt
durch eine geschichtliche Einführung und die Erklärung
von Fachbegriffen − machen dieses Buch zum einzigartigen
Nachschlagewerk für diesen besonderen Kulturschatz.
Buch
Inser beschtes
Gwond
38 Euro
Frauentrachten aus dem südlichen Tirol
Gwond
Inser beschtes
(Hg. Südtiroler Bäuerinnenorganisation), ISBN 978-88-97053-23-1.
Das Buch ist um 38 € in allen Buchhandlungen und im Landesbüro
der Südtiroler Bäuerinnenorganisation erhältlich.
Tel. 0039 0471 999460, info@baeuerinnen.it, www.baeuerinnen.it
Inser beschtes G’wond
Frauentrachten aus dem südlichen Tirol.
„Inser beschtes G’wond“