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GESCHICHTEN ZUM ENTSPANNEN
Ein Hundeleben
von Barnie Labrador
Folge 1: Hausordnungen und Liebesdinge
Kennen Sie das? Es gibt Tage, da scheint einem
das gesamte Universum wohlgesinnt zu sein. Etwa,
weil uns alles gelingt, was wir anpacken. Oder weil
uns ein lieber Mensch begegnet, sobald wir aus der
Wohnungstür treten.
„Oh…guten M-Morgen, Fräulein Rita.“
„Oh, guten Morgen, Herr Dietmar.“
„Was für ein Zufall, Fräulein Rita, dass wir uns
hier im Treppenhaus treffen, meinen Sie nicht?“
„Ja, so ein Glück, wo wir doch übereinander woh-
nen. Sie hätten auch den Aufzug nehmen können,
dann hätten wir uns nicht getroffen.“
Mein Frauchen ist im Prinzip ein äußerst scharf-
sinniges Persönchen. Aber wenn sie Herrn Dietmar
sieht, scheint ihr Intellekt in einen geheimnisvollen,
hormongeschwängerten Blindflug-Modus zu schalten.
Und sie scheint nicht die Einzige zu sein.
„Wie wahr, wie wahr, Fräulein Rita. Das Schicksal
scheint es g-gut mit uns zu meinen. D-darf ich
übrigens anmerken, dass sie heute wieder aussehen,
als wären Sie gerade erst aufgestanden…“
„Wie bitte?“
„Ich meine...ich meine, Sie sehen s-so ausgeruht
aus. Sie haben so eine rosige Haut wie ein…ein…“
„Schweinchen?“
„Nein, nein, natürlich nicht, eher wie ein…ein…
F-Flamingo?“
„Flamingo?“
„Ja, Sie wissen schon, diese w-wunderschönen
Vögel mit dem großen Schnabel…“
„Großer Schnabel…?“
Es gibt Momente im Leben, Herr Dietmar, da ist
ein Themenwechsel die einzig richtige Strategie…
„W-wunderschönes Wetter heute, nicht wahr,
Fräulein Rita?“
Bingo.
„In der Tat, Herr Dietmar, da haben sie recht.
Wunderschön.“
„Sagen Sie, Fräulein Rita…“
Menschen sind schon komisch. Jetzt wird der Herr
Dietmar mein Frauchen sicher wieder irgendetwas
Belangloses fragen, etwa ob sie ihm etwas Salz
borgen könnte oder ob sie einen Tipp hätte, wie er
seine Orchideen zum Blühen bringen könnte. Und
sie wird ihm behilflich sein. Ergeben schmachtend,
natürlich nur still und leise. In der Hoffnung, dass
ihr vielleicht beim nächsten Mal nicht nur Herrn
Dietmars Orchidee, sondern eine Einladung zum
Abendessen blühen könnte. So geht das schon
ein halbes Jahr lang. Dabei kann doch sogar eine
defekte Glühbirne erkennen, dass die beiden sich
mögen. Er kriegt keinen geraden Satz heraus und
läuft röter an als eine Marteller Erdbeere, wenn er
sie sieht, und sie zwirbelt nervös an meiner Leine
herum, dass einem Angst und Bang wird, wenn
er sie anspricht. Menschen sind definitiv komisch.
Ich muss das wissen. Ich heiße Barnie. Und ich
bin ein Hund.
Damit wir uns nicht falsch verstehen: Ich mag Herrn
Dietmar. Was daran liegen mag, dass Herr Dietmar
auch eine Hündin hat. Eine Collie-Dame namens
Chantal. Modell Lassie, nur in weiblich. Sehr chic.
Ihretwegen lasse ich mich auch gerne von meinem
Frauchen bürsten, damit mein Labrador-Fell auch
immer schönen Glanz hat. Das macht Eindruck bei
den Hundedamen. Da braucht es keinen hanebüche-
nen Vorwand, um Kontakt aufnehmen zu können.
Jedenfalls habe ich Chantal noch nie angebellt,
wie denn das Wetter so wäre oder ob sie mir ihren
Futternapf leihen könne. Ich hechle sie nur dezent
aus der Brust heraus an, sie wedelt ganz leicht mit
dem Schwanz. Das genügt. Wir verstehen uns. Aber
Menschen können eben nicht mit dem Schwanz
wedeln…
Ich hoffe also inständig, dass Herr Dietmar das mit
dem Anhecheln auch irgendwann noch zustande
bringt; im übertragenen Sinne natürlich. Dann
könnte auch ich öfter mit Chantal zusammen sein.
Aber wir haben ja Zeit. Herr Dietmar wohnt, wie
gesagt, genau einen Stock ober uns in unserem netten
Kondominium. Da wird es noch genug Gelegenheiten
geben; es muss also nicht heute sein.
Heute wird daraus auch nichts mehr werden, denn
Frauchen hat noch einiges vor, und so bleibt sie
auch nicht eigens stehen, als wir vor der Haustür
zufällig auf Herrn Unterweger und Herrn Pomper-
meier treffen.
Herr Unterweger hatte früher einen Bauernhof.
Mittlerweile genießt er aber seine Pension und
ist so etwas wie ein Aushilfshausmeister in unse-
rem Kondominium. Er bewohnt das Tiefparterre
und kümmert sich um den Garten; und da er im
Herzen ein Landwirt geblieben ist, hat ihm das
Kondominium erlaubt, im Garten drei Obstbäume
zu setzen, welche er vorbildlich hegt, pflegt und
aberntet. Herr Pompermeier hingegen ist ehemaliger
Beamter, ebenfalls pensioniert und im Herzen ein
Paragraphenreiter geblieben. Sein Steckenpferd ist
die Hausordnung bzw. deren genaue Einhaltung
seitens der Kondominiums-Bewohner. Ich bin mir
sicher, abends betet er nicht das „Vater unser“,
sondern das „Verwalter unser“. Ich kann Herrn
Pompermeier nicht leiden, deswegen knurre ich ihn
gerne spaßeshalber etwas an, und Frauchen ruft dann
immer „Still, Barnie“. Wenn Herr Pompermeier weg
ist, lacht sie dann und fügt hinzu „Gut gemacht,
Barnie“. Abends bekomme ich dann als Belohnung
für das Knurren einen extra Hundekeks.
Wie dem auch sei, da Herr Unterweger und Herr
Pompermeier beide pensioniert sind, haben sie viel
Zeit, sich miteinander zu unterhalten. Was aufgrund
der kulturellen Differenzen mitunter recht skurril
werden kann. So wie auch heute. Kaum als ich mit
Frauchen an den beiden vorbei bin, höre ich, wie Herr
Pompermeier den armen Herrn Unterweger fragt:
„Ihnen ist schon klar, dass ich Ihre Obstbäume
ständig im Auge behalte?“
„A grad? Sell brauchens ober net, de sein nou
nia oghaut.“
„Wie? Was reden Sie denn da? Ich möchte Sie nur
daran erinnern, dass Ihre Obstpflanzen laut Haus-
ordnung nicht höher als 4 Meter werden dürfen.
Entsprechen ihre Bäume diesem Maß?“
„Die zwoa Äpfelbam schun.“
„Ah, und der Birnbaum?“
„Und der Birnbam a.“
„Ach so. Und sie wissen auch, dass die Äste nicht
näher als auf 2 Meter an das Kondominium reichen
dürfen? Sind die auch wirklich weiter weg?“
„De von die zwoa Äpfelbam schun.“
„Ah, und die des Birnbaums?“
„Und de vun Birnbam a.“
„Aha. Aber zahlt es sich denn überhaupt aus,
diese Bäume zu behalten? Tragen die denn or-
dentlich Obst?“
„Die zwoa Äpfelbam schun.“
„Ah, und der Birnbaum?“
„Und der Birnbam a.“
„Sagen Sie, Herr Unterweger, Sie kommen mir schon
etwas sonderbar vor. Wieso beantworten Sie denn
alle meine Fragen zu den Obstbäumen mit die zwoa
Äpfelbam schun und dann Und der Birnbam a?“
„Jo, weil die zwoa Äpfelbam mir ghearn.“
„Ach so, das ist natürlich etwas anderes. Ja, und
der Birnbaum?“
„Und der Birnbam a.“
Herr Pompermeiers Kiefer ist beinahe dabei, im
Blumenbeet zu versinken. Und würde ich Herrn
Unterweger nicht eh schon mögen, ab heute wäre
er mir einer der liebsten Kondominiums-Bewohner.
Auch wenn es deren noch einige weitere äußerst Inte-
ressante gibt. Aber das ist eine andere Geschichte…