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Kunst & Kultur
spezialisiertes Handwerk, wodurch
der Textilhandel weiter gefördert
wurde. Es waren im Hochmittel-
alter besonders die Messen in der
Champagne, über die ein großer
Teil des Wollhandels abgewickelt
wurde und nach 1200 begann
insbesondere die Stadt Florenz
in diesem Sektor eine Rolle zu
spielen.
Verkehrsgeographisch lag Florenz
an der römischen Via Cassia, die
von der Lombardei nach Rom
führte. Eine starke Konkurrenz
dazu bildete die sogenannte Via
Francigena, die als Pilgerstraße
von Canterbury (Südostengland)
über Piemont und Lucca nach Rom
führte. Der Handel mit Wolltex-
tilien, deren Schönfärberei und
Verfeinerung, stehen am Anfang
des demographischen und wirt-
schaftlichen Aufschwungs von
Florenz, das nur über seine im
Handel erzielten Überschüsse in
der Lage war, die eigene Bevöl-
kerung mit ausreichend Getreide
zu versorgen.
Jahrhunderte lang war die Tex-
tilherstellung mit der schlechten
einheimischen Wolle nur für den
Eigenbedarf und das nähere Um-
feld bestimmt gewesen. Um 1200
gelang florentinischen Unterneh-
mern erstmals die Produktion von
feinen Wolltextilien mit Import-
wolle. Diese bezog man zunächst
aus Frankreich, Spanien und den
Niederlanden, vor allem aber über
die bekannten Champagnemes-
sen, wo vor allem mit englischer,
irischer und schottischer Wolle
gehandelt wurde.
Als Papst Innozenz III. (1198-
1216) auf dem Laterankonzil
1215 die Lehenshoheit über
England verkündete, traten die
Florentiner Kaufherrn mit einem
entscheidenden Angebot an den
Pontifex heran. Der Papst bezog
aus diesen englischen Lehen die
Zehntabgaben in natura, was in
der Praxis eine großen Menge von
Wolle höchster Qualität bedeutete.
Die Florentiner schalteten sich
nun geschickt über ihre Gesell-
schaften, wie die Bardi, Peruzzi,
Strozzi u. a. in die Vermarktung
dieser Wolle ein und boten dem
Papst im Gegenzug für die von
ihnen nun selbst bezogene eng-
lische Wolle deren Handelswert in
Goldmünzen.
Schon bald erreichte der Umfang
dieses Geschäftes jedoch seine
Grenzen, denn die Zahl der zu
diesem Zeitpunkt im Umlauf sich
befindenden Goldmünzen war zu
gering. So ging die Stadt Florenz
1252 zu Prägung eigener Goldmün-
zen über, die auf der Vorderseite
die Lilie als Stadtwappen und auf
der Rückseite den Stadtpatron,
den heiligen Johannes den Täu-
fer zeigen. Die Ausgabe dieser
Goldmünzen wurde bezeichnender
Weise durch die Florentiner Woll-
und Textilgesellschaft kontrolliert,
Diesen Beitrag zur Bekleidungsgeschich-
te hat Univ.-H.Prof. Doz. DDr. Helmut
Rizzolli, Obmann der „Arbeitsgruppe
Unsere Tracht“ für Sie verfasst.
Die Darstellung eines Schafpferchs im Lutrell-Psalter (1325 – 1335 ca.) zeigt weiße Schafe, wie sie im Nordwesten Europas
zur Produktion von qualitätsvollen Wollstoffen gezüchtet wurden.
Auch der Papst beteiligte sich an der Nachprägung des Fiorino d’oro aus Florenz, wie
Urban V. (1362-1370) der solche Goldstücke im südfranzösischen Avignon prägen
ließ. Neben dem Kopf des Heiligen Johannes erkennt man die päpstliche Tiara.
die auch über die Güte des Zah-
lungsmittels wachte.
Der Fiorino d’oro wurde rasch zu
einer Erfolgsgeschichte, den diese
Goldmünze mit stabilem Edelme-
tallgehalt war genau das, was dem
europäischen Fernhandel bislang
gefehlt hatte. So groß war der
Bedarf für den Handel, dass man
auch in Florenz schon bald mit
der Prägung dieser Münzen nicht
mehr nachkam. An vielen Stellen,
begannen daher anderer Stadther-
ren und Fürsten mit Münzrecht
Goldstücke zu prägen, wobei man
sich eng an das überall geschätzte
Vorbild aus Florenz hielt. Die Gul-
den aus nahezu einhundertfünf-
zig verschiedenen Münzstätten
zeigten fast überall die Lilie und
den heiligen Johannes. Von den
Ausgaben aus Florenz unterschie-
den sie sich durch Umschrift und
Beizeichen.
Auch auf den Tiroler Raum hatte
diese Entwicklung Auswirkungen.
Auf den seit 1202 nachweisbaren
Bozner Märkten fanden sich nicht
nur Tuche aus Florenz, sondern
einige Florentiner Familien ließen
sich um 1300 auch hier nieder.
Graf Meinhard II. (1259-1295) von
Tirol hatte intensive Kontakte zu
Florentiner Bankiers unterhalten
und Ende des 13. Jahrhunderts in
Bozen auch eine Bank (Casana)
eingerichtet. Die Grafen von Görz
hingegen, prägten in Lienz im 14.
Jahrhundert sogar Goldmünzen
nach Florentiner Vorbild aus dem
ihnen zur Verfügung stehenden
Tauerngold.