Seite 22 - WIR_11_2013

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Geschätzte Leser,
am Tag vor dem Teufelstag hat der Verfassungsge-
richtshof ein teuflisches Spiel getrieben ... nicht
zu Unrecht, verstehen Sie mich nicht falsch, aber
katastrophal in seinen Ansätzen, unabsehbar in
seinen Auswirkungen und zumindest diskussions-
würdig in den Ganglien juridischer Spitzfindigkei-
ten, die allerdings erst mit der Hinterlegung der
Entscheidung, die in einigen Wochen zu erwarten
ist, zu Tage treten werden.
Im Grunde ist es die Rache des Systems: da gelobt
ein politisches System einem greisen Staatspräsiden-
ten, der seine Wiederwahl nur unter der Bedingung
weitgreifender struktureller Reformen (wozu auch
die Änderung des Wahlgesetzes gehört) akzeptiert,
eben diese Reformen auch in Angriff zu nehmen,
und kommt nicht über ein Verfassungsgesetz hinaus,
das nicht die Verfassungsreform in Angriff nimmt,
keineswegs, sondern im Wege der Verfassungsän-
derung einen Mechanismus installieren will, um
eine künftige Verfassungsänderung nicht im Wege
der Verfassungsänderung durchführen zu müssen.
Bereits das zu verstehen setzt die Bereitschaft
voraus, die elementarsten Prinzipien menschlicher
Logik über Bord zu werfen ...
Detail am Rande: dieser besondere Mechanismus
wird jetzt vielleicht doch nicht installiert, weil
für die zweite Lesung aufgrund der Spaltung des
PDL, den es ja nicht mehr gibt, die erforderliche
Zweidrittelmehrheit fehlt und somit eine Volksbe-
fragung möglich würde, die von den Grillini mit
Freuden initiiert würde. Und so wird jetzt doch über
eine ganz normale Verfassungsänderung, nach dem
dafür vorgesehenen Verfahren, nachgedacht, um
den Senat abzuschaffen oder zumindest in seiner
Funktion und Zusammensetzung neu zu definieren,
um das ‚perfekte‘ Zweikammersystem der Geschichte
angehören zu lassen.
Die Änderung des Wahlgesetzes wurde hingegen
nie ernsthaft betrieben und so kam es denn zu
dieser Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes:
der Mehrheitsbonus fällt, die Vorzugsstimme wird
eingeführt und das Parlament findet sich wieder mit
dem Verdacht der ungesetzlichen Zusammensetzung.
So weit wird es nicht kommen, der Verfassungsge-
richtshof wird die Rechtswirkungen der Entscheidung
mit deren Hinterlegung in einigen Wochen klären
und mit Sicherheit nicht eine verfassungsrechtlich
in dieser Form kaum vorstellbare Auflösung des
Parlamentes provozieren, aber die Delegitimation
der politischen Kaste ist offensichtlich, das Unver-
mögen des legislativen Organs, seinen Funktionen
(und Versprechen) nach zu kommen, schreit zum
Himmel und nur der Teufel freut sich heute, am Tag
danach, über dieses Fiasko.
Grüße aus Rom, wieder am Tag danach, 05. De-
zember 2013
Manfred Schullian
Kammerabgeordneter
Geschrieben am
05. Dezember 2013
Brief aus Rom
von Robert Adami
Spaß beiseite!
Was soll ich nur schenken?
Haben Sie schon alle Weihnachtsgeschen-
ke besorgt? Wenn Sie jetzt zufrieden
mit dem Kopf nicken, dann kann ich
nur sagen: beneidenswert. Dann können
Sie sich jetzt ja zurücklehnen und den
Weihnachtsstress…pardon, die Weih-
nachtszeit in vollen Zügen genießen.
Einmal im Leben habe ich das mit der
frühen Besorgung der Geschenke auch
zustande gebracht, es muss ungefähr 1993
gewesen sein. Ansonsten bin ich eher der
last-minute-Geschenke-Typ. Es ist ja auch
nicht wirklich leicht, denn Krise hin und
Krise her, das richtige Geschenk für jeden
der Lieben muss erst gefunden werden.
Letztes Jahr z.B. wollte ich Tante Hilde in
die wunderbare Welt der digitalen Kommu-
nikation, also ins Internet (oder wie Tante
Hilde sagt: Hinternetz) einführen und
habe ihr deswegen einen dieser neuarti-
gen, mittels Fingertipp steuerbaren Flach-
computer, auch Eipäd genannt, geschenkt.
Als uns Tante Hilde dann am Stephanstag
den Kaffee auf dem Ding servierte und
begeistert davon schwärmte, wie nützlich
so ein kleines Tablett doch sein konnte,
keimten in mir dann doch gewisse Zweifel
an der Sinnhaftigkeit dieses Geschenks
auf… Tante Hilde selbst hingegen macht
es sich mit dem Schenken einfach: Meine
Wenigkeit kriegt von ihr zu Weihnachten
seit Menschengedenken einen Pyjama;
und zwar immer den gleichen. Blaue Hose,
rotes Jäckchen, übersät mit kleinen gel-
ben Bärchen. In meinem Schrank befindet
sich eine Kollektion an Bärchen-Pyjamas,
chronologisch einzuordnen nach dem Grad
der farblichen Ausbleichung…
Aber Spaß beiseite. Ohne Tante Hildes
Pyjama würde mir an Weihnachten etwas
fehlen. Denn erstens bilde ich mir heute
noch ein, dass meine Frau die Dinger sexy
findet. Und zweitens ist es nicht wichtig,
was man sich schenkt, sondern dass man
aneinander denkt. Und dazu braucht es
nicht einmal einen Bärchen-Pyjama. Es
genügt ein liebes Wort. In diesem Sinne
wünsche ich Ihnen allen eine besinnliche
Adventszeit und eine frohe Weihnacht!
Politik
Der Palazzo della Consulta in Rom, Sitz des italienischen Verfassungsgerichtes.
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